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Und sie wunderten sich sehr

Und sie wunderten sich sehr

Titel: Und sie wunderten sich sehr
Autoren: Christina-Maria Bammel
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|7| Vorwort – eine Empfehlung zum Lesen
    Bücher kann man ja meist auf mindestens zwei Weisen lesen. Auch dieses. Wer hier und da eine Weihnachtsgeschichte für zwischendurch erfahren möchte, kann möglicherweise an fast jeder beliebigen Stelle mit dem Lesen einsetzen. So können die Alltagsgedanken vielleicht für einen Moment ausruhen und auf Abstand gebracht werden. Vielleicht tun sich Türen in verborgene Wirklichkeiten auf. Wirklichkeiten, die mitten in der Großstadt versteckt liegen.
    Wer allerdings einen größeren weihnachtlichen Stadtspaziergang machen möchte, müsste wohl die Spanne einer Zeit vom Beginn bis zum Ende dieses Buches aufbringen. Denn genau das wollen die folgenden Seiten für Sie sein: ein weihnachtlicher Spaziergang durch die Großstadt.
    Auf diesem Spaziergang faszinieren nicht die Schaufenster, Märkte und grundsanierten Straßenzüge. Auf diesem Spaziergang lassen sich Menschen treffen. Das Besondere an ihnen: Sie haben Zeit zum Erzählen. Und: Sie tragen in sich dieses mehr als zweitausend Jahre alte Gen der Weihnachtssehnsucht. Manche kämpfen – aus welchen Gründen auch immer – dagegen an. Andere freuen sich an ihr und wollen von dieser Freude etwas weitergeben. Die Dritten versuchen, vorsichtig und vielleicht das erste Mal für das Worte zu finden, was sie da an fast vergessener Sehnsucht in sich finden.
    Menschen erzählen von ihren Beziehungen; sie erzählen davon, was sie in diesen Beziehungen verloren und vielleicht sogar wieder gefunden haben. Sie erzählen aber auch, wer oder was sie retten könnte und was sie wieder weitergehen lässt, wenn die Wege schlechter und die Herbergen unterwegs unfreundlicher geworden sind. Sie erzählen von liebevollen Begegnungen und dem Schmerz verlorener Liebe. Sie erzählen von Geschenken der besonderen Art, an denen manchmal das Maß der Liebe und manchmal das |8| Maß der abwesenden Liebe zu entdecken ist. Wenn sie zu Wort kommen, so lässt sich zwischen den Zeilen finden, was werden kann, wenn profane Zeiten heilige Zwischenräume zulassen.

    Falls Sie jedoch über diese Geschichten von Liebe, Verlust, Rettung und Neuanfang hinaus wundersame Geschichten suchen, sind die Seiten dieses Buches wahrscheinlich nicht ganz der passende Ort.
    Klar versucht das Erzählen, auch etwas Licht in die Frage der Wunder und Zeichen von Weihnachten zu werfen. Gern werden ja alle möglichen Wundergeschichten mehr oder weniger fantasievoll in der Weihnachtszeit platziert. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Das Besondere, ja geradezu Magische dieser Zeit wird umso deutlicher auf die Bühne gehoben, je zauberhafter die Erzählungen sind.
    Aber das ist nicht mein Weg. Porträts von Wundergläubigen habe ich nicht zu bieten. Denn die Städte des 21. Jahrhunderts eignen sich ebenso wenig für nachmoderne Märchenmirakel wie das Bethlehem damals zu Zeiten römischer Besatzung.
    Suchen Sie nicht das Mirakel. Suchen Sie lieber Zeichen, die einen Hinweis geben auf das Weihnachtsgeheimnis, das Gegenwart bleiben will. Worin das besteht? Gott sucht die allergrößte Nähe bei den Menschen und macht dabei den unscheinbarsten Anfang.
    Göttliches Ziel und Streben ist diese eine wahrhaftige Begegnung, die hält, was sie verspricht, die vielleicht jenseits aller Möglichkeiten des Denkens und Fühlens liegt, die aber dort beginnt, wo unser Denken und Fühlen Wahrhaftigkeit zumindest für möglich hält. Die Menschen dieses Buches sagen das auf andere Weise. Finden Sie heraus, wie.
    Christina-Maria Bammel, Berlin im Mai 2011

|9| I
Weihnachts(ver)stimmungen, oder: Warum es diese Geschichten überhaupt gibt
    Es begab sich aber zu jener Zeit und es begibt sich auch zu unserer Zeit, dass am Ende des Kalenderjahres Weihnachten vorbereitet wird. Es weihnachtet: Straßen, Markt und Wohnzimmer versuchen, das Idyll vergangener Tage nachzuzeichnen, eine Erinnerung aus einem fernen Land zu erzeugen, ein altes Suchen nach vielleicht schon Verlorenem. Es beginnt die Zeit der vielen Taten, der Feiern, geboren aus reichlich gutem Willen, Einsamkeit, Familienchaos und Verhältnissen, die ins Leere laufen – eigentlich schon das ganze Jahr, aber an Weihnachten besonders. Je aktiver überall beschworen wird, hier käme gewissermaßen das Fest der seligen Passivität auf uns zu, desto schwieriger wird es, diese Passivität tatsächlich zuzulassen.

    Es braucht nicht viel Scharfsinn, um festzustellen, dass das geradezu öffentlich gewordene Weihnachtsgefühl unserer Tage mitten in aller
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