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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde
Autoren: Mary Mackey
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spricht, und sein Fieber ist beträchtlich gesunken. Er hat mir aufgetragen, dich ins Zelt zurückzuholen, bevor Mutter ihm noch mehr von dem Brotbrei eintrichtert. Sie hat geschworen, daß sie ihn zwingen wird, jedes Krümelchen davon zu essen, und sie haben gerade einen hitzigen Streit deswegen. Sie besteht darauf, daß der Brotbrei ihm das Leben gerettet hat, genau wie Batal es versprochen hat, und er sagt, das Zeug schmeckt wie schimmeliger Pelz und ...«
    Aber Keshna hörte ihr nicht mehr zu. Sie hatte Windtänzer zum Galopp angetrieben und ritt in dem gleichen wilden Tempo ins Lager zurück, in dem sie es verlassen hatte.
     
    Als Keshna das Zelt betrat, lehnte Keru gegen drei dicke Kissen. Er wirkte sehr geschwächt, sah aber schon wieder fast aus wie der alte Keru. Sie rannte zu ihm, ließ sich neben ihm auf die Knie fallen und nahm sein Gesicht in beide Hände. Ihre Berührung, gebändigt durch seine lange Krankheit, war unendlich sanft.
    »Du bist wieder da«, sagte sie atemlos. »Du bist zurückgekommen!«
    Keru lachte, streckte die Arme nach ihr aus und zog sie an sich, um sie zu küssen. Ihre Lippen schmeckten salzig, und ihr Haar roch nach Holzrauch und Blättern. Der Fiebertunnel war schrecklich lang gewesen; aber er hatte es geschafft, lebend wieder herauszukommen. Keshna hatte auf ihn gewartet, und er konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als sie bis ans Ende seiner Tage jeden Morgen zu küssen.
    Als ihr Kuß schließlich zu Ende ging, rollte sich Keshna neben ihm zusammen und schmiegte sich an ihn. Sie lagen friedlich nebeneinander und beobachteten, wie der morgendliche Sonnenschein durch das Rauchabzugsloch des Zeltes strömte. Es war so still, daß sie hören konnten, wie Marrah die letzten Brotstücke zu Brei zerstampfte und Chamnak kleine Stöcke und Äste ins Feuer legte. Irgendwo scharrte ein Pferd, ein Eichelhäher keckerte, und ein Tier – wahrscheinlich ein Otter – planschte in der Nähe des Ufers. Keshna dachte an den Fluß, der den ganzen weiten Weg ins Meer floß, und dann dachte sie an ihr eigenes Leben, das ebenso schnell dahinrann. Das Leben ist sehr kurz, dachte sie, sehr kurz und sehr kostbar. Wenn man blinzelte, konnte es passieren, daß man die ganze Sache verpaßte.
    Sie schmiegte ihre Wange an Kerus Gesicht und schluckte den letzten Rest ihres Stolzes hinunter. »Ich muß dir etwas sagen«, begann sie. »Etwas, das ich dir schon längst hätte sagen sollen.«
     

EPILOG
    Das Ende einer Geschichte ist immer der Anfang vieler anderer. An einem sonnigen Frühlingsmorgen, vier Jahre nachdem sie Keru mit einem Brei aus schimmeligem Brot geheilt hatte, ging Marrah an Bord eines Raspas, das nach Alzac auslief, und ließ Luma, Keru und Driknak zurück, um Shara zu regieren. Es fiel ihr schwer, ihren drei Kindern und fünf Enkelkindern Lebwohl zu sagen; aber sie hatte endlich die Vision verstanden, die Batal ihr geschickt hatte, und sie hatte eine Pflicht zu erfüllen, die um vieles wichtiger war als die warnende Botschaft, die sie vor so vielen Jahren in den Osten gebracht hatte, als die Nomaden zum ersten Mal in die Mutterländer eingefallen waren.
    Sechs Monate zuvor war Batal ihr ein zweites Mal erschienen und hatte ihr in klar verständlichem Sharanisch befohlen, die heiligen Geheimnisse von Kataka in Sicherheit zu bringen, wo sie gehütet werden konnten, bis der Tag kam, an dem die Kinder der Göttin Erde sie erneut brauchen würden. Es würde eine lange Reise sein. Marrah würde den ganzen weiten Weg in den Westen jenseits des Westens reisen müssen und von dort aus über das Meer der Grauen Wogen bis zu einer grünen Insel, die sie bisher nur in Träumen gesehen hatte. Batal hatte ihr befohlen, überall dort, wo sie während ihrer langen Reise Rast einlegte, die Priesterinnen in die Geheimnisse von Kataka einzuweihen, so daß sie in künftigen unerforschlichen Zeiten an vielen Orten vor den Nomaden in Sicherheit sein würden. Und das bedeutete, daß es Jahre dauern konnte, bis sie die grüne Insel erreichte.
    In diesem Sommer hatte Marrah vor, nach Alzac zu reisen, und dann in das Meer der Blauen Wogen zu segeln, um den Winter in der geheiligten Stadt hoch oben auf den steilen Klippen zu verbringen, wo der Atem der Göttin aus einem Spalt in der Erde drang. Von dort aus würde sie immer weiter nach Westen reisen. Obwohl Marrah noch keine alte Frau war, war sie auch nicht mehr ganz jung, und als sie beobachtete, wie die weißen Mauern von Shara langsam zurückblieben,
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