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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde
Autoren: Mary Mackey
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sie glaubt, daß sie Keru damit kurieren kann.«
    Keshna öffnete den Mund, klappte ihn wieder zu und starrte Marrah ungläubig an. Marrah warf einen kleinen Beutel beiseite und stürzte sich auf ein Stückchen Brot, das in dem Durcheinander zum Vorschein kam. Sie hielt es fest in der Hand und eilte zu Keshna.
    »Wie geht es Keru?«
    »Schlechter.« Keshna wischte sich die Tränen aus den Augen und starrte auf das Brot.
    »Wieviel schlechter? Ich muß genau wissen, wie es ihm geht. Kann er aufsitzen? Kann er essen?«
    »Nein. Nachdem du weg warst, fing er plötzlich so heftig an zu zittern, daß Urmnak und ich glaubten, er würde einen Anfall bekommen. Er zittert jetzt nicht mehr so stark, aber es geht ihm sehr schlecht.«
    Marrah blickte auf den Brotknust. »Wir werden warten müssen!«
    »Warten? Worauf?« Keshna wischte sich die Nase an ihrem Ärmel ab und sah Marrah verständnislos an.
    »Nun, natürlich darauf, daß die Sonne untergeht, damit ich Keru dieses Brot geben kann. Sein Fieber sinkt immer etwas, sobald die Sonne untergeht.«
    »Du willst ihm dieses Brot da geben?« Keshna schien der Geduldsfaden zu reißen. »Dieses schimmelige Stückchen Brot? Diesen altbackenen Knust, der voller Schmutz und Pferderotz ist? Was ist mit dir los, Tante Marrah? Hast du den Verstand verloren? Verstehst du nicht, was ich gerade gesagt habe? Keru liegt wahrscheinlich im Sterben! «
    Marrah streckte die Hand aus und tätschelte Keshnas Arm. »Du mußt immer das sagen, was kein anderer auszusprechen wagt, nicht wahr, Keshna? Aber ich weiß, du tust es aus Liebe. Du hast Angst, daß Keru stirbt und dich verläßt. Aber nur Mut: Ich werde ihn wieder gesund machen.« Sie wandte sich zu Luma. »Ich möchte, daß du zu Kandar reitest und ihm sagst, er soll seinen Kriegern befehlen, ihre Satteltaschen auszuleeren. Keshna hat recht. Dies hier ist nur ein kleiner Rest Brot, und er ist obendrein völlig verschimmelt. Bis Sonnenuntergang möchte ich soviel Brot haben, daß es einen ganzen Laib ausmacht, zwei Laibe, vielleicht sogar drei, wenn sie soviel finden können.«
    Keshna ließ sich stöhnend auf den Boden sinken und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
    »Worauf wartest du denn noch, Tochter?« Marrah wies auf Shalru. »Sattle dein Pferd und setz dich in Bewegung.«
    Luma galoppierte so schnell zu der zweiten Furt, daß der Wald an ihr vorbeiflog. Als sie und Kandar schließlich in das Nomadenlager zurückkehrten, stand die Sonne tief am Horizont. Sie hatten zwei Beutel mit Brotresten in ihren Satteltaschen, das meiste bereits verdorben. Außer den Brotresten hatten sie noch einen halben Laib gerettet, der jedoch so vertrocknet und mit Schimmelflecken übersät war, daß Luma ihn nicht einmal an ein Schwein verfüttert hätte. Sie gab Marrah das Brot, und die inspizierte es kritisch und runzelte die Stirn.
    »Ist das alles, was ihr auftreiben konntet?«
    »Ja, Mutter.«
    »Ihr habt jedes Stückchen mitgebracht?«
    »Jedes einzelne Stückchen.«
    Marrah roch prüfend an dem Brot und hustete. »Wie soll ich Keru dazu bringen, das zu essen?« Sie drehte den Laib herum und suchte nach unverdorbenen Stellen, doch es gab nur wenige. »Ich werde es in Wasser einweichen und einen Brei daraus machen müssen, den ich Keru zwischen die Lippen schieben kann. Er wird das Zeug wahrscheinlich nicht einmal schmecken. Es geht ihm sehr viel schlechter. Das Fieber ist heute abend nicht wie sonst gesunken.«
    Das war eine äußerst bedrückende Nachricht. Luma und Kandar machten Anstalten, zu Kerus Zelt zu gehen, aber Marrah hielt sie zurück. »Nicht in diese Richtung.« Sie zeigte zum Fluß. »Er ist da unten. Keshna sitzt mit ihm an einer seichten Stelle und hält ihn in ihrem Schoß, damit das Wasser seinen Körper kühlt.«
    Kandar ergriff Lumas Hand, und sie standen eine Weile schweigend da, während Marrah kehrtmachte und zu Kerus Zelt ging, um eine Schale und etwas Wasser zu besorgen, damit sie das Brot zu Brei zerstampfen konnte. Jeder in Shara kannte die Geschichte, wie Marrah auf ihrer langen Reise gen Osten plötzlich hohes Fieber bekommen hatte und Stavan sie schließlich in den Rauchfluß getaucht hatte, um ihre Temperatur zu senken. Marrah hatte diesen Trick an alle ihre Priesterinnen weitergegeben, und sie wandten ihn manchmal bei fiebernden Pilgern an, doch es war eine verzweifelte Maßnahme. Wenn die Leute in Shara sagten, jemand sei »zum Fluß hinuntergebracht« worden, hieß das, daß derjenige sa gut wie tot war.
    Marrah
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