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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde
Autoren: Mary Mackey
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PROLOG
     
    An der westlichen Küste des Schwarzen Meeres,
4361
v. Chr.
     
    In einer lauen Nacht vor über sechstausend Jahren ging der letzte Vollmond des Sommers langsam über den Feldern auf, die die Stadt Shara umgaben. Es war ein leuchtend orangeroter Mond, von Dunst verschleiert und so groß und rund, daß es aussah, als sei aus dem Himmel ein Kreis ausgeschnitten worden, um ein rot - glühendes Feuer zu enthüllen. Als Batal, die Schlangengöttin und Beschützerin der Stadt, jenen kreisrunden Mond am östlichen Himmel schweben sah, blies Sie den Himmelskörper an und lief; ihn höher steigen, kühlte ihn mit Ihrem heiligen Atem, bis er zu einer knochenweißen Scheibe verblaßte.
    In der vorausgegangenen Nacht noch hatte goldgelber Weizen auf den Feldern gestanden, doch während des Tages hatten die Sharaner den letzten Rest des Getreides mit ihren Sicheln aus Feue r stein geerntet und nur einige wenige Reihen als Gabe an die Vögel und Mäuse stehen lassen.
    Batal hörte auf, den Mond zu kühlen, und wandte Ihren Blick aus lidlosen Augen dem Feld in unmittelbarer Nähe des Waldes zu Auf jener weiten Fläche von Stoppeln regte sich etwas, etwas Dunkles, Unförmiges, das sich in einem unregelmäßigen Rhythmus vorwärtsbewegte.
    Der Mond stieg immer höher, und als seine silbrigen Strahlen über die Stoppelfelder wanderten, tauchten sie die dunkle Form in helles Licht und enthüllten, daß es in Wirklichkeit nicht eine, sondern drei einzelne Formen waren, die zu einem einzigen Schattet verschmolzen. Die Formen nahmen menschliche Gestalt an, und plötzlich war das Gesicht eines alten Mannes zu erkennen. Es war ein bleiches, verbittertes, finsteres, keilförmiges Gesicht mit grünen Augen, grauem Haar und einem Kinn, spitz wie eine Steinaxt; und wenn Marrah, die Priesterkönigin von Shara, es hätte sehen können, so wäre ihr Herz zu Eis erstarrt. Der alte Mann trug den Namen Changar, und sie hatte in ihrem ganzen Leben niemals einen gefährlicheren Feind gehabt.
    Das Mondlicht berührte Changars Gesicht nur für einen flüchtigen Moment, bevor er seinen beiden Gehilfen mit einer Geste bedeutete, ihn wieder in den Schutz der Dunkelheit zurückzuführen. Lange Zeit stand er reglos und schweigend am Waldrand und stützte sich auf die Jungen, bis ihre Schultern taub und gefühllos wurden, doch er nahm keinerlei Notiz von ihrem Unbehagen. Sie waren seine Beine, und sie hatten ihm im vergangenen Sommer während der Belagerung von Shara das Leben gerettet. Ohne sie war er nicht imstande, mehr als ein paar Schritte zu gehen, dennoch betrachtete er sie kaum als menschliche Wesen.
    In der Stadt gab es etwas, das Changar um jeden Preis haben wollte, etwas, für das er einen weiten Weg geritten war. Es war etwas, das Changar früher einmal besessen, dann jedoch wieder verloren hatte. Wenn er es sich erst einmal zurückgeholt hatte, würden ihn die Nomadenhäuptlinge wieder ehren. Sie würden ihm Gold und junge Frauen bringen, um sein Bett zu wärmen. Er würde neue, besser aussehende Gehilfen haben, die ihm das Essen kochten und ihn auf sein Pferd hoben und ihm wieder herunterhalfen; und vor allem würde er endlich die Rache haben, nach der er sich schon so lange verzehrte.
    In der Ferne flackerten die Lichter der Stadt. Es war eine kühle Brise aufgekommen, die von der See herüberwehte und den würzigen Geruch nach Salz und Tang mit sich brachte. Fröstelnd zog Changar seinen abgetragenen Umhang aus Wolfsfell noch fester um sich und signalisierte seinen beiden Gehilfen, ihn wieder in den Wald zu einer kleinen Lichtung zurückzuführen, wo er die Nacht verbringen würde. Ein Lager aus verdorrten Blättern wartete dort auf ihn, und ganz in der Nähe graste, geschickt verborgen, sein Pferd mit aneinandergebundenen Vorderbeinen.
    Die Gehilfen hatten keine Pferde. Sie gingen oder rannten neben ihrem Herrn her, je nachdem, in welchem Tempo er voranzukommen gedachte; und wenn sein Pferd schiß, sammelten sie die Pferdeäpfel auf, um sie zu trocknen und als Brennmaterial zu benutzen, so, wie sie es auch in der fernen Steppe getan hätten, obwohl es in diesen Wäldern genug Holz gab, um viele Jahre lang damit Feuer zu machen. Changar liebte nun einmal den Geruch von brennendem Dung, und er war nicht bereit, darauf zu verzichten.
     
    In Shara sorgte die Seebrise für einen willkommenen Hauch von Kühle in den Mutterhäusern. Königin Marrah hörte auf, sich Luft zuzufächeln, und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Nun,
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