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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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Nacktschnecken gerade meinen Rittersporn der Sorte Lanzenträger abfressen. Den scheinen sie von allen Ritterspornsorten am liebsten zu mögen.
    Ich bin sicher, dass Lore immer noch arbeitet, weil sie Angst davor hat, dass nicht passiert, was sie sich vom Alter erträumt hat: endlich reisen, alles Verpasste nachholen. Rom, St. Petersburg, Weimar, nein, nicht mit mir. Das weiß sie und das macht sie bitter. Dass sie nun ausgerechnet mir eine Affäre mit einer Dichterin unterstellt, ist eigentlich grotesk. Ich bin doch der Kulturbanause, der kein einziges Gedicht auswendig kann außer Ottos Mops trotzt von Ernst Jandl. Und doch: Verena Berg! Mein Gott, Lore ahnt gar nicht, wie gefährlich diese Geschichte damals für uns war – vor mehr als dreißig Jahren. Verena war in das städtische Künstlerhaus gezogen. Ich war für die Restaurierung zuständig und verliebte mich Hals über Kopf in sie. Da war ich gerade drei Jahre mit Lore zusammen. Es war eine ziemlich heftige Affäre. Ich liebte Lore, aber Verena war was ganz anderes. Ich wollte beides leben. Dann wurde Lore schwanger. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, wollte Verena aber nicht verlieren, und die begann irgendwann, mich zu verhöhnen, weil ich so zerrissen war. Geh doch zu deiner Bibliothekarin, sagte sie, die passt besser zu dir. Als Gloria geboren war, beendete Verena die Affäre. Ich hätte das damals nicht gekonnt.
    Ich hab noch lange unter der Geschichte gelitten, hab mich über Jahre hinweg informiert, was Verena machte. Irgendwann verlor ich sie aus den Augen. Jetzt ist sie tot, mein Gott. Ja, es geht mir nahe, Lore, aber das gestehe ich dir nicht.

    *

    »Ach, was soll denn da gewesen sein. Hör doch endlich auf damit.«
    »Du warst verliebt in sie.«
    »War ich nicht.«
    »Komm schon, nach fast vierzig Jahren kannst du doch zugeben, dass du in sie verliebt warst.«
    »War ich aber nicht, verdammt!«
    »Das ärgert mich maßlos, dass du so stur bist. Was ändert das zwischen uns heute, wenn du sagst, ja, ich war in die verliebt. Noch dazu, wo sie jetzt tot ist.«
    »Lore!«
    »Das ist dieselbe Nummer wie die mit unserem Kennenlernen. Du gibst es einfach nicht zu, wie es war.«
    »Was soll das? Wir haben uns auf einer Dichterlesung kennengelernt und nach einer Woche sind wir miteinander ins Bett gegangen. Seither sind wir zusammen. Was sollte ich daran nicht wahrhaben wollen?«
    »Es war eine Vernissage. Keine Lesung.«
    »Eine Vernissage?«
    »Sag bloß, du erinnerst dich nicht.«
    »Nein, also, ich –«
    »Ich sage nur: Mira!«
    »Mira?«
    »Mira, jawohl.«
    »Ah! Jajaja – Mira – die Künstlerin –«
    »Phh!«
    »Mira – Gott, wie hieß die denn noch? Mira – Mira – äh –«
    »Das musst du doch wissen, nicht ich.«
    »Mira – irgendwas mit K– Ku– Kuss! Ja, Mira Kuss! So hieß sie.«
    »Komischer Name.«
    »Kusz – hinten mit Ess und Zett. Kusz.«
    »Na immerhin erinnerst du dich ganz gut.«
    »Gott, wie lange habe ich nicht mehr an die gedacht.«
    »Warum auch.«
    »Wir kannten uns ja immerhin – wie man so sagt – aus dem Sandkasten. Die Eltern waren die ersten Jugoslawen, die nach Deutschland kamen – damals. Der Vater hatte ein Restaurant. Mira Kusz – sie hieß echt so. Das war kein Künstlername.«
    »Sie war ja auch keine Künstlerin.«
    »War sie schon. Sie hat gemalt und Gedichte geschrieben.«
    »Scheußliche Bilder und triviale Gedichte. Dagegen waren die Gedichte von deiner Verena hohe Kunst. Außer dir mochte das damals niemand. Es war affektiertes Zeug.«
    »Sie hatte sogar Erfolg und hat später ein paar Preise bekommen.«
    »Davon weiß ich nichts.«
    »Nur weil dir die Sachen nicht gefallen haben, heißt das nicht, dass sie keine Künstlerin war.«
    »Ach was.«
    »Ich mochte sie jedenfalls gern – auch das, was sie machte.«
    »Du warst ja damals nur ihretwegen auf der Vernissage.«
    »Natürlich, wir waren ja befreundet.«
    »Du hast sie verehrt, warst hinter ihr her und hast sie nicht bekommen.«
    »Ach, Lore …«
    »Sie hat dich abfahren lassen – und dann erst hast du mich beachtet.«
    »Das stimmt doch gar nicht. Mira …«
    »Ich war zweite Wahl.«
    »Unsinn. Denke dran, wie verliebt wir waren.«
    »Ich war anfangs überhaupt nicht verliebt in dich. Ich fand dich steif und dröge. Du warst gar nicht mein Typ.«
    »Schön, das nach so viel Ehejahren zu erfahren. Ich frage mich nur, warum es dann doch eine Liebesgeschichte mit uns wurde.«
    »Weil ich irgendwann gar keine andere Wahl hatte, so
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