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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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traurig, irgendwie enttäuscht, ja. Ich glaube an nichts mehr. Nicht an die Liebe, nicht an das Glück, nicht an die Schönheit, nach der ich mich so sehne. Ich brenne irgendwie nicht mehr. Harry trinkt sein Weizenbier und ist zufrieden. Der lebt so ungesund. Der stirbt vor mir, ich darf nicht dran denken, was dann? Eigentlich sollte ich froh sein, wenn er Golf spielt. So ist er wenigstens draußen und bewegt sich ein bisschen.

    *

    »Darf ich dich mal stören?«
    »Hm.«
    »Ich hab grade die Todesanzeigen gelesen.«
    »Lass das doch, Lore, das zieht dich doch bloß runter.«
    »Manchmal ist aber jemand dabei, den man kennt.«
    »Und, ist heute jemand dabei?«
    »Ja.«
    »Nun sag schon.«
    »Verena.«
    »Verena? Was für eine Verena?«
    »Das fragst du? Wie viele Verenas gibt es denn in deinem Leben? Berg. Verena Berg.«
    »Nein.«
    »Doch. Siehst du. Das trifft dich.«
    »Was heißt, das trifft mich, du kanntest sie doch auch, zeig mal, wo?«
    »Ich les dir vor: ›Ich bin nicht schauerlich, bin kein Gerippe/ ein großer Gott der Seele steht vor dir.‹ «
    »Ist das eins von ihren Gedichten?«
    »Mein Gott, nein. Das ist von Hugo von Hofmannsthal. Soll ich nun?«
    »Ja. Wie alt ist sie geworden?«
    »Das musst du doch wissen. Sie war doch deine Freundin.«
    »Lore!«
    »Ja, ja, also: ›Dem großen Gott der Seele hat es gefallen, unsere geliebte Verena Berg zu sich zu holen. Sie starb mit zweiundsechzig Jahren und in Frieden. Konrad Berg mit Mareile, Lucy Berg geb. Koppenrath, Heiko Koch, Geneviève Stroheim, Ansgar von Wiese. Beisetzung in aller Stille.‹«
    »Verena. Nur zweiundsechzig. Mein Gott. Diese schöne, starke Frau, bestimmt Krebs.«
    »Hast du sie seit damals nie wiedergesehen?«
    »Nein, wo denn? Sie lebte doch lange im Ausland, Frankreich, glaube ich.«
    »Geneviève. Wer ist Konrad?«
    »Keine Ahnung. Geheiratet hat sie nicht. Ihr Bruder, denke ich. Ach, Verena. Das geht mir jetzt doch nah.«
    »Glaub ich dir gern.«
    »Was soll das denn heißen, geht es dir nicht nah, wenn jemand stirbt, den wir kannten?«
    »Ich kannte sie ja kaum. Du kanntest sie. Sehr gut sogar.«
    »So gut wieder nicht. Ich mochte sie, ja. Als wir nach Glorias Geburt unsere dicke Krise hatten, hab ich mich ab und zu mit ihr getroffen, mehr nicht.«
    »Mehr nicht?!«
    »Mehr nicht.«
    »Das glaube, wer will.«
    »Herrgott, Lore, du wirst doch nicht mit diesem kleinkarierten Eifersuchtsscheiß nach wieviel? dreißig? hundert Jahren wieder anfangen!«
    »Ich fange mit gar nichts an, ich denke nur, du könntest es einfach endlich zugeben.«
    »Was soll ich denn zugeben? Dass ich die Frau mochte?«
    »Mochte ist gut. Ich saß da mit dem Baby und du …«
    »Weißt du was, Lore, das ist mir jetzt zu blöd. Ich geh mal um den Block. Ich brauch jetzt Luft.«

6 HARRY

    Eigentlich ist das ja zum Lachen. Wir sind vierzig Jahre zusammen und die Frau zieht eine solche Eifersuchtsnummer ab. Ich weiß nicht genau, was Lore immer wieder mal zu solchen Sticheleien treibt. Vielleicht ist es gar nicht Eifersucht. Sie hat ja objektiv keinen Grund dafür. Und es sind alte Geschichten, die sie da manchmal heraufbeschwört. In den letzten zehn, zwanzig Jahren fuhr unser Eheschiff in ruhigem Fahrwasser. Auch Lores Verliebtheit in den jungen Lyriker hat uns nie wirklich gefährdet. Was ist es also bei ihr? Manchmal denke ich, sie hätte gern ein anderes Leben gehabt, mit einem anderen Menschen. Nicht mit einem bestimmten, aber mit einem, der an ihren Interessen mehr Anteil genommen hätte, einem Kulturschaffenden, wie sie manchmal sagt, einem, der zum Beispiel nicht in Pisa die nächste gute Kneipe aufsucht, sondern mit ihr durch die Kirchen zieht. Ich bin nicht der Mann, mit dem sie einen Lebensabend auf Kulturreisen haben kann. Das merkt sie jetzt wohl schmerzlich, wo ich pensioniert bin. Ich hab einfach keine Lust zu reisen, keine Lust auf Hotels mit zu schmalen Betten, auf beengte Bahn- oder Flugreisen, auf fremde Städte.
    Wir waren ja mal in Istanbul. Wie lange ist das jetzt her? Acht, neun Jahre. Grauenhaft – bis auf den Bazar. Island, eine Woche, das war noch schlimmer. Ich fuhr im Mietwagen und Lore las pausenlos Halldór Laxness vor, der angeblich das beschrieb, was wir angeblich sahen. Ich arbeite eben lieber in meinem Garten. Es macht mich schon nervös, wenn ich eine Woche hier verpasse und zum Beispiel das Erblühen der Crocosmia nicht erlebe, oder wenn ich in irgendeiner Kathedrale der Welt stehe und dran denken muss, dass mir die
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