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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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Enkelkind, ja. Aber ich kann das nicht mehr ernst nehmen. Nichts mehr. Verstehst du das nicht?«
    …
    »Lore, ob du das nicht verstehst?«
    »Ja. Doch.«
    »Na also.«

2 HARRY

    Früher, wenn mit Gloria irgendwas war – und irgendwas war ja immer –, fragte Lore meistens, Harry, was haben wir falsch gemacht? Das fragt sie Gott sei Dank nicht mehr.
    Wir haben nichts falsch gemacht, Lore. Ich lehne es ab, immer etwas in der Erziehung falsch gemacht zu haben, wenn die erwachsenen Kinder mit dem Leben nicht zurechtkommen. Wir haben Gloria ein intaktes Familienleben geboten. Wir waren immer für sie da und wir haben sie in Ruhe gelassen. Sie hatte alle Freiheiten und alle Möglichkeiten. Ich glaube, eines ihrer Probleme war, dass sie das gar nicht zu schätzen wusste, weil es so selbstverständlich war. Einmal, ich erinnere mich, Gloria war schon fast zwanzig und gerade aus Indien zurück und ziemlich am Ende, da sagte ich, ach, Kind, du hast so schön Klavier gespielt. Es war so schade, dass du das nicht weitergemacht hast. Sie hatte ja Begabung, von wem wissen wir nicht. Sie sang schön, war wirklich musikalisch. Da sagt sie doch tatsächlich: Ihr hättet mich eben zwingen müssen. Na fein! Das hätte ich erleben wollen, wenn wir sie jemals zu irgendetwas gezwungen hätten. Zwingen! Wie denn? Womit denn? Mit Ohrfeigen, Strafen, Verboten? Hätten wir sie zwingen sollen, die Schule fertig zu machen? Hätten wir verhindern sollen, dass sie nach Indien ging mit diesem Schluffi? Hätten wir sie zur Abtreibung zwingen sollen, als sie später dann schwanger war von einem Kerl, der sich schon während ihres ersten Schwangerschaftsmonats abseilte? Nein, das war bei uns nicht drin. Wir waren durch unsere autoritären und kriegsgeschädigten Eltern gewarnt. In diesen Dingen – in vielen anderen nicht – waren Lore und ich uns ziemlich einig. Natürlich war Lore der Tochter immer näher. Vielleicht denkt sie deswegen manchmal darüber nach, was sie falsch gemacht haben könnte, und dann sagt sie wir, wir haben was falsch gemacht.
    Nun also Frank Bredow, gerade mal zehn Jahre jünger als ich, der Mann, den wir nicht kennengelernt haben, von dem bisher nie die Rede war, den sie vor einem halben Jahr wohl selbst noch gar nicht kannte. Frank Bredow, Leipzig, Heirat im September, Einladung zu großer Hochzeit. Kann man das ernst nehmen? Da heiratet die zum dritten Mal und macht ein solches Brimborium! Also ich weiß nicht – und ich will nicht.
    Frank Bredow. Ich habe über den Mann gegoogelt. Maximilian Bredow, der Vater, Inhaber der Firma Bredow-Bau-Hamburg ( BBH ), Immobilien, Baufirmen, zwölfhundert Angestellte. Sohn Frank Bredow, Juniorchef und Leiter der Filiale der BBH in Leipzig, vierhundert Angestellte. Also kein Ossi, liebe Lore. Leipzig, dachte ich mir, Leipzig, da ist doch der Kollege Polenz aus dem Bauamt nach der Wende hingegangen. Ich also den Polenz angerufen. Interessante Informationen! Die Bredows haben nach der Wende eine große Gründerzeitvilla mit sehr viel Grund und Boden zurückbekommen. Frank Bredow hat das Anwesen übernommen, restauriert und zugleich eine Filiale der väterlichen Firma aufgezogen. Er ist sozusagen von Beruf Erbe, sagt Polenz. Reiche Leute, naturgemäß im Osten nicht beliebt. Frank Bredow, so Polenz, ist ein arroganter, unangenehmer Kerl. Großkotz, kriegt aber jetzt was auf den Deckel. Er hat ungenehmigt einen Tennisplatz mit Kunstrasen vor seine Villa gebaut, mitten in ein Wohngebiet. Das hat die Stadt untersagt. Jetzt prozessiert er mit den Behörden herum, was natürlich die Chancen, mit der Stadt Immobiliengeschäfte zu machen, nicht gerade begünstigt. Jedenfalls, sagt Polenz, er wird sich den Tennisplatz abschminken müssen.
    Und dann hat er gefragt, warum mich der Mann interessiert. Er wird mein Schwiegersohn, hab ich gesagt, und ich hab gemerkt, wie fassungslos der Polenz war. Jetzt wollte er einiges zurücknehmen, klar, aber ich hab gesagt, ist schon gut, Polenz, ich kenn den Kerl nicht und ich glaube auch, dass ich ihn nicht mag. Übrigens, sagte Polenz am Ende noch, seine Firma heißt Kaiserreich, nach der Mutter, einer geborenen Kaiser.
    Kaiserreich. Das muss einem einfallen.
    Wann, wie und ob überhaupt ich das Lore erzähle, weiß ich noch nicht. Vielleicht ist es gut, wenn sie unvoreingenommen zu dieser Hochzeit fährt. Ich werde mich drücken – vielleicht krank werden, wer weiß.

    *

    »Ist sie denn eigentlich glücklich, Lore, hört man mal dazu was oder ist das
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