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Der Schrecken aller Geister

Der Schrecken aller Geister

Titel: Der Schrecken aller Geister
Autoren: Wolfgang Ecke
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Die Bronze-Räuber

    Balduin Pfiff lag breit und behäbig wie der Erfinder der Bequemlichkeit auf seinem Sofa und schnarchte. Aus seinem halboffenen Mund erklang eine leise Melodie mit immer gleichem Rhythmus:
    Nrrrrrrr — phhhhhhh...
    Nrrrrrrr — phhhhhhh...
    Wenn er mit „Nrrrrrrr“ einatmete, wuchs sein Bäuchlein zu einer prallen Kugel. Wenn er mit „Phhhhhhh“ ausatmete, schrumpfte die Kugel zusammen wie ein Ballon, aus dem die Luft entwich.
    Dem schwarzhaarigen Etwas auf Balduin Pfiffs Bauch schien dieses ständige Auf und Ab nicht das geringste auszumachen, ebensowenig wie der Straßenlärm, der durch die geöffnete Fensterklappe ins Zimmer drang.
    Doch dann begann der Kissenberg im Sessel neben dem Sofa zu schnurren.
    Genauer: Unter dem Kissen schnurrte es.
    Noch genauer: Es war das Telefon, das Balduin Pfiff mit vier Sofakissen zugebaut hatte.
    In das schwarzhaarige Etwas auf dem Bauch kam Bewegung. Ein struppiger Kopf reckte sich, eine Hundeschnauze dehnte sich zu einem genußvollen Gähnen, und dann fixierte ein lustig dreinschauendes braunes Augenpaar den Kissenaufbau.
    Ein Ohr wackelte,
    der struppige Kopf legte sich zuerst nach links, anschließend nach rechts. Gerade so, als ob man in einer dieser Lagen besonders gut nachdenken könne.
    Es klingelte bereits zum vierten Mal.
    Und Balduin Pfiff merkte nichts. Nrrrrrrr — phhhhhhh... Das schwarzhaarige Etwas erhob sich, streckte sich auf Balduins Bauch nach vorn, nach hinten, machte einen Buckel und sagte dann leise und behutsam: „Wau!“
    Es klingelte zum sechsten Mal.
    „Wau!!“ Das klang schon eine Spur lauter.
    Nrrrrrrr — phhhhhhh...
    „Wau-wau-wau!!!“
    Das Schnarchen verstummte.
    Es schnurrte zum siebenten Mal unter den Kissen.

    Der Meisterdetektiv öffnete blinzelnd die Augen.
    „Hallo, Hund!“ murmelte er. Dieser, kaum größer als ein Hut und ein Zwischending zwischen Filzpantoffel, Kaffeekannenwärmer und Mop, machte einen Sprung nach vorn und schob seine kalte, feuchte Nase in Balduin Pfiffs Ohr.
    „Guten Morgen“, sagte der Meisterdetektiv, obwohl es kurz vor fünf Uhr nachmittag war.
    Inzwischen das neunte Telefonzeichen.
    „Ei der Daus, das klingelt ja“, stellte er mit reichlicher Verspätung fest. Dann gähnte auch er, rieb sich zuerst die Augen und anschließend die Hände.
    „Na, da wollen wir mal telefonieren.“
    Es war, als hätte „Hallo, Hund“ nur auf dieses Stichwort gewartet. Mit einem mächtigen Satz sauste er nach unten, um mit knurrender Begeisterung die vier Kissen vom Telefon zu ziehen.
    Beim letzten Kissen rutschte gleich der Hörer mit von der Gabel.
    „Hallo... hallo!!“ rief eine weitentfernte Stimme vom Sessel. „Hallo, hallo…“
    Balduin Pfiff nahm den Hörer und schimpfte gemütlich:
    „Heiliges Kanonenröhrchen, ich kann doch nicht fliegen. Wer ist denn dort?“
    „Hier spricht Friedrich!“ kam es beleidigt zurück, und Balduin hatte schon nach den ersten beiden Worten die Stimme seines Schwagers erkannt. Er knirschte mit den Zähnen und forderte sich selbst energisch auf: „Sei nett zu ihm, Baldi!“ Aus irgendeinem Grund war er dem Mann seiner Schwester nicht sonderlich zugetan. Dabei war der meist höflich und zuvorkommend. Jetzt allerdings bemerkte er leicht gereizt:
    „Was heißt schon fliegen, Balduin. Wenn du den Hörer abnimmst, kannst du dich auch melden, oder?“
    „Ei der Daus, nein!“ erwiderte Balduin. „Ich habe ihn nämlich gar nicht abgenommen!“
    „Was denn, was denn...?“ Friedrich Walleritz staunte laut durch den Draht.
    „Es war Pinsel!“ erklärte Balduin Pfiff, während er sich in den Sessel fallen ließ und seine gewaltigen Füße auf dem Tisch deponierte.
    „P...P...Pinsel? Wer ist Pinsel?“ fragte der Mann seiner Schwester.
    „Pinsel ist mein Hund!“
    „Pinsel ist dein Hund? Du hast einen Huuund??“ Es klang fassungslos, erschrocken, ja mehr noch, es klang fast entrüstet. Allein schon, wie er „Hund“ sagte.
    Wenn der kleine dicke Detektiv seinen Schwager Friedrich ärgern wollte, dann nannte er ihn nicht Friedrich, sondern Fritze. Und so sagte er jetzt: „Fritze, wenn ich sage, Pinsel ist mein Hund, dann brauchst du doch nicht zu fragen, ob ich einen Hund habe. Das ist unlogisch! Detektiv könntest du nie werden!“
    Friedrich schwieg beleidigt.
    Balduin Pfiff aber schloß seinen Vortrag mit der genüßlich in die Breite gezogenen Feststellung: „Und so wirst du eben Zeit deines Lebens ein kleiner Beamter der Städtischen Pfandleihanstalt
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