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Titan 16

Titan 16

Titel: Titan 16
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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DAS ZEITKINO
    (E FOR EFFORT)
     
T.L. SHERRED
     
     
    Ein Dienstwagen holte den Hauptmann am Flughafen ab. Das Fahrzeug war schwarz und fuhr schnell. In einem engen, stillen Zimmer saß der General steif und gerade, angespannt. Der Major wartete am Fuße der polierten Treppe, die in der Nachtluft frostig glänzte. Reifen quietschten, der Wagen hielt an, und der Hauptmann und der Major rasten die Treppen hinauf. Kein Wort des Grußes fiel. Der General stand schnell auf, streckte die Hand aus. Der Hauptmann riß seine Aktentasche auf und überreichte ein dickes Bündel Papiere. Der General durchblätterte sie eilig und warf dem Major einen Satz hin. Der Major verschwand, und seine harte Stimme hallte befehlsgewohnt durch den Korridor. Der Mann mit der Brille kam herein, und der General reichte ihm die Papiere. Der Mann mit der Brille sortierte sie mit zuckenden Fingern. Auf eine Handbewegung des Generals hin ging der Hauptmann hinaus, ein stolzes Lächeln auf seinem müden jungen Gesicht. Der General klopfte mit den Fingerspitzen auf die schwarz glänzende Tischplatte. Der Mann mit der Brille schob ein paar Landkarten beiseite und begann zu lesen.
     
    Lieber Joe, ich habe damit angefangen, bloß um die Zeit totzuschlagen, weil ich keine Lust mehr hatte, einfach bloß zum Fenster hinauszustarren. Aber als ich fast am Ende war, begann ich zu begreifen, was vor sich ging. Außer Dir kenne ich niemanden, der das an die richtige Stelle bringen kann, und wenn Du das zu Ende gelesen haben wirst, wirst Du auch wissen, warum es notwendig ist.
    Ich weiß nicht, wer Dir dies bringen wird. Aber wer auch immer es ist – er wird ganz bestimmt nicht wollen, daß Du später sein Gesicht identifizieren kannst. Denk daran und, bitte, Joe – beeil Dich!
    Ed
     
    Das Ganze fing an, weil ich faul bin. Als ich mir endlich den Schlaf aus den Augen gewischt und im Hotel meine Rechnung bezahlt hatte, waren sämtliche Sitze im Bus besetzt. Ich stellte meinen Koffer in ein Schließfach und machte mich daran, die Stunde totzuschlagen, die ich Zeit hatte, bis der Bus abfuhr. Den Bus‐Terminal kennst du: gegenüber dem Book‐Cadillac und dem Statler am Washington Boulevard in der Nähe der Michigan Avenue. Michigan Avenue. So wie die Main in Los Angeles oder vielleicht die Dreiundsechzigste in ihrem augenblicklichen Stadium des Verfalls in Chicago, wohin ich wollte. Billige Kinos, Pfandleihgeschäfte und Dutzende von Bars, ein oder zwei Spielsalons, Restaurants, die Hamburger, Brot, Butter und Kaffee für vierzig Cents anbieten. Vor dem Krieg kostete das noch einen Vierteldollar.
    Ich mag Pfandleihgeschäfte. Ich mag Kameras, ich mag Werkzeuge, ich mag es, Schaufenster anzusehen, die mit allem möglichen vollgestopft sind, angefangen mit elektrischen Rasierapparaten über Inbusschlüssel zu Oberteilen von Gebißprothesen. Da ich also eine Stunde totzuschlagen hatte, ging ich die Michigan hinunter bis zur Sechsten und dann auf der anderen Straßenseite wieder zurück. In diesem Teil der Stadt gibt es eine Menge Chinesen und Mexikaner, wobei die Chinesen die Restaurants betreiben und die Mexikaner in den Lokalen sitzen und mexikanisch essen. Zwischen der Vierten und der Fünften blieb ich stehen und sah mir ein paar Kinoplakate an. ›Detroit Premiere… Tausende von Schauspielern… nur diese Woche… zehn Cent…‹ Die paar an den Fenstern klebenden Hochglanzfotos im Format 18 x 24 Zentimeter waren ziemlich schlechte Abzüge, fleckig und zerdrückt; Bilder von Kavallerie in Kettenpanzern in einer Schlacht. Alles für zehn Cents. Genau das, was ich brauchte.
    Vielleicht war es mein Glück, daß ich mich auf der Schule besonders für Geschichte interessiert und sogar eine Abschlußarbeit in diesem Fach geschrieben habe. Es muß Glück gewesen sein, ganz bestimmt nicht Intelligenz, die mich dazu brachte, einen Zehner für einen Platz auf einem zerbrechlichen Klappstuhl zu bezahlen, umgeben – obwohl es außer mir höchstens noch ein halbes Dutzend Söhne Mexikos gab – von Wolken von Knoblauch. Ich saß in der Nähe der Tür. Zwei Hundert‐Watt‐Birnen baumelten nackt von der Decke und lieferten mir genügend Licht, daß ich mich umsehen konnte. Vor mir an der Hinterwand des Ladens war die Leinwand, sie sah aus wie eine weiß gestrichene Sperrholzplatte, und als ich dann über die Schulter den zerbeulten Sechzehn‐Millimeter‐Projektor sah, begann ich zu überlegen, ob nicht selbst zehn Cents dafür zuviel waren. Trotzdem, ich hatte noch
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