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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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immer. Wir gehen stundenlang über schöne Wiesen und hauen kleine Bällchen durch die Gegend, friedlicher geht’s nicht. Was hast du dagegen?«
    »Du meckerst ja sogar gegen den Tennisplatz vor Glorias Villa.«
    »Das ist ja wohl was anderes.«
    »Ist es nicht.«
    »Lore, komm, lass sein, das hat keinen Sinn heute. Ich geh dann jetzt mal.«
    »Bei mir kann es spät werden.«
    »Bei mir auch.«

4 HARRY

    Martin! Ob der auch Golf spielt? Dazu hat der wahrscheinlich keine Zeit, weil er im Land herumreisen muss, um in muffigen Bibliotheken vorzulesen. Ich hasse diese Lesungen, und ich drücke mich davor, wo es nur geht. Dieses Publikum! Deutschlehrer und Handarbeitslehrerinnen und eben solche wie Lore, die sich so gerne Kulturschaffende nennen. Ich finde es immer peinlich, wenn Lore am Tag einer solchen Lesung schon morgens aufgeregt ist. Angeblich muss sie sich um alles kümmern – wo der Autor schläft, was er isst, ob er Vegetarier ist, lieber Bier als Wein trinkt, lieber Tee als Kaffee und so fort. Und dann geht sie ins Hotel und legt eine Sechziger-Glühbirne aufs Zimmer für die Leselampe mit einem Willkommensgruß.
    Am Abend steht sie rausgeputzt da, hat hektische Flecken im Gesicht und liest von einem Zettel vor, was sie sich aus Wikipedia abgeschrieben hat. Dann sitzt sie in der ersten Reihe, wo mich eh keiner hinkriegt, und hängt an den Lippen des Vorlesenden, als würde der ihr gerade das große Heil verkünden.
    Einmal hat sie sich in einen verliebt – das ist jetzt sicher um die fünfzehn Jahre her. Sie war fast fünfzig, er Ende zwanzig und Lyriker. Ich hab den Namen vergessen. Da war sie ganz neben sich, es kamen Briefe, mit denen sie sofort in ihrem Zimmer verschwand, Anrufe, die sie erröten ließen, es häuften sich Besuche von sogenannten Fortbildungsseminaren, die man vorher stets als unnötig angesehen hatte, und es lagen schmale Bändchen mit wirren Gedichten und vorsichtigen Widmungen herum. Und eines Tages war es dann wohl vorbei. Keine Briefe, keine Telefonate, keine Fortbildung mehr. Lore weiß gar nicht, wie sehr ich das damals mitbekommen habe. Wir haben nie darüber geredet. In der Zeit danach ging es uns sehr gut. Unsere Sexualität bekam einen positiven Schub – für einige Zeit.
    Und so wichtig sich Lore bei den Lesungen macht, so aufgeregt und übertrieben spielt sie auch ihre Rolle in der Bibliothek. Angeblich geht ohne sie gar nichts, haben alle anderen keine Ahnung oder sind dumm und faul. Sie sagt, sie sei unentbehrlich. Wenn sie gehe, worauf sie seit ein paar Monaten Anspruch hat, breche alles zusammen, was sie der Bibliothek, den Büchern, ihren Autoren und den Lesern nicht antun dürfe. So war sie immer, und ich bin mir sicher, dass die Kollegen diese quirlige Allesbesserwisserin lieber heute als morgen im Ruhestand sähen.
    Wir hatten das ja eigentlich auch so geplant. Ein Jahr nach mir sollte sie auch zu arbeiten aufhören. Wir hatten Pläne geschmiedet. Wollten reisen, mal für längere Zeit in den Süden gehen, nach Amerika, all das tun, was wir uns über die Jahre immer gewünscht, aber verkniffen haben. Nun bin ich seit zwei Jahren pensioniert und sitze hier den ganzen Tag alleine. Okay, ich langweile mich nicht. Ich genieße dieses Leben. Ich hab meinen Garten.
    Zuletzt bin ich sowieso nicht mehr gern ins Bauamt gegangen. Ich bin mit den forschen jungen Kollegen und mit den überspannten Architekten nicht mehr zurechtgekommen. Ich mache den Garten, liebe meine Stauden, bastle am Haus herum, damit wird man ja nie fertig, habe ein paar Hobbys, treffe mich mit Freunden – mit Ede zum Beispiel –, neuerdings auch zum Golf.
    Und wenn ich es mir genau überlege, dann weiß ich gar nicht, ob ich mir wünschen soll, dass Lore zu arbeiten aufhört. Ich fürchte, dann werde ich nicht mehr beim Frühstück in Ruhe die Zeitung von vorne bis hinten lesen können, was in der Regel bis elf dauert. Es könnte sein, dass es hier dann etwas ungemütlich wird. Will ich das?
    Das mit dem Golf, das war diese Wette mit Ede. Er hat sie verloren und muss mir zehn Golfstunden bezahlen. Sechs Stunden haben wir hinter uns – aber ich glaube, mein Ding ist das nicht. Nicht wegen des Altherren-Image. Ich finde es einfach etwas albern – ich finde die Leute dort albern.

    *

    »Weißt du, Lore, ich finde das absurd, wenn du daraus jetzt eine ideologische Nummer machst. Wer SPD oder Grün wählt, darf nicht Golf spielen.«
    »Du hast doch immer große Reden gegen Golfspieler und Mercedesfahrer
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