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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war
Autoren: S Winman
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meinte mein Vater und wandte sich wieder seinen Akten zu. » Alle können hier singen.«
    » Gibt es einen bestimmten Grund dafür?«, wollte meine Mutter wissen, die merkte, dass ich etwas zurückhielt.
    » Nö.«
    » Willst du über irgendetwas reden?«, fragte sie leise und griff nach meiner Hand. (Sie hatte angefangen, ein Buch aus Amerika über Kinderpsychologie zu lesen. Darin wurden Eltern dazu aufgefordert, ihre Kinder zu ermuntern, über ihre Gefühle zu sprechen. Uns brachte es dazu, überhaupt keinen Piep mehr sagen zu wollen.)
    » Nö«, sagte ich noch einmal gepresst.
    Es handelte sich bloß um ein einfaches Missverständnis. Alles, was ich in der Sonntagsschule angedeutet hatte, war, dass Jesus Christus ein Unfall war, mehr nicht; eine ungeplante Schwangerschaft.
    » Ungeplant, ach wirklich?«, brüllte der Pfarrer. » Und woher hast du solch frevelhafte Abscheulichkeiten, du gottloses Kind?«
    » Ich weiß nicht«, sagte ich. » Nur so eine Idee.«
    » Nur eine Idee?«, wiederholte er. » Glaubst du vielleicht, der Herr liebt diejenigen, die seinen göttlichen Plan in Frage stellen? Ich sage dir eins, Fräulein, das tut er nicht.« Sein Arm schoss vor und zeigte auf meinen Verbannungsort. » In die Ecke!«, befahl er, und ich ging hinüber zu dem Stuhl, der zur feuchten, bröckelnden Wand gedreht stand.
    Dort saß ich und dachte an die Nacht, in der meine Eltern in mein Zimmer geschlichen kamen und sagten: » Wir würden gern etwas mit dir bereden. Es geht um etwas, was dein Bruder immer zu dir sagt. Darüber, dass du ein Unfall warst.«
    » Ach das«, sagte ich.
    » Also, du warst kein Unfall«, sagte meine Mutter, » nur nicht geplant. Wir haben nicht wirklich mit dir gerechnet. Dass du kommst, meine ich.«
    » Wie Mr Harris?«, fragte ich. (Mr Harris war ein Nachbar, der immer zu wissen schien, dass wir uns gerade zum Essen hingesetzt hatten und dann vor der Tür stand und etwas von uns wollte.)
    » So ungefähr«, sagte mein Vater.
    » So wie Jesus?«
    » Genau«, erwiderte meine Mutter leichtsinnig. » Genau wie Jesus. Es war wie ein Wunder, als du kamst, das beste Wunder überhaupt.«
    Mein Vater verstaute seine Unterlagen in der abgewetzten Aktentasche und setzte sich zu mir.
    » Du musst nicht in die Sonntagsschule oder in die Kirche gehen, damit Gott dich liebt«, sagte er. » Oder damit dich irgendwer liebt. Das weißt du doch, oder?«
    » Ja«, sagte ich, ohne ihm zu glauben.
    » Wenn du älter bist, wirst du das besser verstehen«, fügte er noch hinzu. Aber solange konnte ich nicht warten. Ich hatte bereits beschlossen, dass ich, wenn dieser Gott mich schon nicht lieben konnte, jemand anderen finden musste, der es tun würde.

» Was wir brauchen, ist ein weiterer Krieg«, sagte Mr Abraham Golan, mein neuer Nachbar von nebenan. » Der Mensch braucht Krieg.«
    » Der Mensch braucht Hirn«, widersprach ihm seine Schwester Esther und zwinkerte mir zu, während sie um seine Füße herumsaugte und dabei einen losen Schnürsenkel erwischte, der im Staubsaugerrohr steckenblieb und den Geruch von verschmortem Gummi im Wohnzimmer verbreitete. Ich mochte den Geruch von verschmortem Gummi. Und ich mochte Mr Golan. Mir gefiel die Tatsache, dass er in seinem Alter mit seiner Schwester zusammenwohnte und nicht mit einer Ehefrau und hoffte, dass mein Bruder sich später vielleicht auch einmal so entscheiden würde.
    Mr Golan und seine Schwester waren im September in unsere Straße gezogen, und im Dezember hatten sie all ihre Fenster mit Kerzen geschmückt, um ihren Glauben an das Licht zu verkünden. Es war ein milder Spätsommertag, und mein Bruder und ich lehnten an unserer Hauswand und sahen, wie der blaue Pickford Transporter in unserer Straße auftauchte. Wir beobachteten, wie Kisten und Möbel achtlos aus dem Wagen getragen wurden, von Männern mit Zigaretten im Mundwinkel und Zeitungen in der Gesäßtasche.
    » Sieht so aus, als wäre irgendwas in diesem Sessel gestorben«, bemerkte mein Bruder, als einer der Männer mit dem Möbelstück an uns vorbeikam.
    » Woher willst du das denn wissen?«, fragte ich.
    » Weiß ich eben«, erwiderte er und tippte sich an die Nase, um mir zu verstehen zu geben, dass er einen sechsten Sinn für so etwas habe. Und das, obwohl die anderen fünf sich schon oftmals als heikel und unzuverlässig erwiesen hatten.
    Ein schwarzer Lincoln Zephyr fuhr vor und parkte ungeschickt auf dem Gehweg vor dem Haus. Ein alter Mann stieg aus, ein Mann, der älter aussah als
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