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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war
Autoren: S Winman
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meine Lehrerin Miss Grogney, und ihre Lippen verschwanden in einer Linie aus nicht-weltlichem Hass. Ohne dass ich es wusste, war sie der Spross zweier Missionare, die eine halbe Ewigkeit das Wort Gottes in einem unwirtlichen Teil Afrikas gepredigt hatten, nur um dann feststellen zu müssen, dass ihnen die Muslime zuvorgekommen waren.
    Ich wollte zu meinem Pult zurückgehen.
    » Bleib hier«, sagte Miss Grogney bestimmt, und ich gehorchte. Ich spürte, wie sich ein warmer Druck in meiner Blase aufbaute.
    » Glaubst du, es ist angemessen, einen Hasen…«, fing Miss Grogney an.
    » Eigentlich ist es ein Kaninchen«, unterbrach Jenny Penny sie. » Man nennt es bloß Hasenkanin…«
    » Glaubst du, es ist angemessen, ein Kaninchen Gott zu nennen?«, fuhr Miss Grogney mit Nachdruck fort.
    Ich spürte, dass das eine Fangfrage war.
    » Glaubst du, es ist angemessen zu sagen: › Ich habe Gott mit auf einen Einkaufsbummel genommen.‹?«
    » Aber das habe ich nun mal«, sagte ich.
    » Weißt du, was das Wort Blasphemie bedeutet?«, fragte meine Lehrerin.
    Ich sah sie ratlos an. Jenny Pennys Arm schoss hoch.
    » Ja?«, sagte Miss Grogney.
    » Blasphemie bedeutet blöd«, sagte Jenny Penny.
    » Blasphemie bedeutet nicht blöd.«
    » Dann eben grob«, riet Jenny.
    » Es bedeutet«, sagte Miss Grogney laut, » Gott zu beleidigen oder etwas Heiliges. Hast du das verstanden, Eleanor Maud? Etwas Heiliges. Wenn du das in einem anderen Land gesagt hättest, hätte man dich dafür steinigen können.«
    Ich erschauderte, denn ich wusste ganz genau, wer dort dann den ersten Stein geworfen hätte.
    Jenny Penny wartete am Schultor, hopste von einem Fuß auf den anderen, spielte in ihrer eigenen spektakulären Welt. Es war eine seltsame Welt, eine, die schon bis zum Ende des Vormittags für gemeines Getuschel gesorgt hatte. Und doch war es eine Welt, die mich faszinierte und meinen Sinn für Normalität mit der Entschiedenheit eines tödlichen Schlags zerschmetterte. Ich sah ihr zu, wie sie eine durchsichtige Plastikregenhaube über die wuscheligen Locken, die ihr Gesicht umrahmten, zurrte. Ich dachte, sie warte nur darauf, dass der Regen nachließe, aber tatsächlich wartete sie auf mich.
    » Ich habe auf dich gewartet«, sagte sie.
    Ich wurde rot.
    » Danke fürs Klatschen«, sagte ich.
    » Es war wirklich gut«, erwiderte sie und bekam dabei kaum ihren Mund auf, weil die Schleife der Regenhaube so fest gebunden war. » Besser als die Geschichten von den anderen.«
    Ich öffnete meinen pinken Regenschirm.
    » Hübsch«, sagte sie. » Der Freund meiner Mutter kauft mir auch so einen. Oder einen mit Marienkäfern drauf. Also, wenn ich brav bin.«
    Aber ich interessierte mich nicht mehr so sehr für Regenschirme, jetzt, da sie eine andere Welt erwähnt hatte.
    » Warum hat deine Mutter einen Freund?«, fragte ich.
    » Weil ich keinen Vater habe. Er ist abgehauen, bevor ich geboren wurde.«
    » Mensch«, sagte ich.
    » Aber ich nenne ihn › Onkel‹. Ich nenne alle Freunde meiner Mutter Onkel.«
    » Warum?«
    » Ist leichter. Mama sagt, die Leute würden sie verurteilen. Sie beschimpfen.«
    » Wie denn?«
    » Schlampe.«
    » Was ist eine Schlampe?«
    » Eine Frau, die viele Freunde hat«, erklärte sie, nahm ihre Regenhaube wieder ab und schob sich Zentimeter für Zentimeter unter meinen Regenschirm. Ich rückte zur Seite und machte ihr Platz. Sie roch nach Pommes.
    » Magst du ’nen Bazooka?«, fragte ich sie und streckte ihr den Kaugummi auf der Handfläche entgegen.
    » Nein«, sagte sie. » Das letzte Mal wäre ich beinahe an so einem erstickt. Wäre beinahe gestorben, sagt meine Mama.«
    » Oh«, sagte ich und steckte den Kaugummi wieder in meine Tasche. Ich wünschte, ich hätte stattdessen etwas weniger Bedrohliches gekauft.
    » Aber dein Kaninchen würde ich echt gern sehen«, sagte Jenny Penny. » Mit ihm spazieren gehen. Oder hüpfen«, fügte sie hinzu und krümmte sich vor Lachen.
    » Okay«, sagte ich und sah ihr beim Lachen zu. » Wo wohnst du denn?«
    » In deiner Straße. Wir sind vor zwei Tagen da hingezogen.«
    Ich erinnerte mich sofort an das gelbe Auto, über das alle gesprochen hatten, das mitten in der Nacht angekommen war, einen verbeulten Wohnwagen hinter sich her ziehend.
    » Mein Bruder wird in ’ner Minute da sein«, sagte ich. » Du kannst mit uns mitgehen, wenn du magst.«
    » In Ordnung«, sagte sie, und ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. » Besser, als allein nach Hause zu gehen. Wie ist dein
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