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Das Erbe des Greifen

Titel: Das Erbe des Greifen
Autoren: Carl A. DeWitt
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    Als Lamar di Aggio, der Gesandte des Reiches und Mitglied des Ordens von Seral, an diesem Morgen die Augen öffnete, bereute er es sofort. Die Nacht zuvor war lang gewesen und der Wein überreichlich, obwohl er zu den Besten gehörte, die er je getrunken hatte. Sein Kopf pochte, und die Sonne schien ihm durch die Schlitze des Fensterladens direkt ins Gesicht. Darüber hinaus war es viel zu still. Für einen Moment wusste er nicht, wo er sich befand, nachdem er keine Kutschen über die Pflastersteine poltern hörte und draußen auch keinerlei Waren lautstark angepriesen wurden.
    Lytara! Richtig, er befand sich in Lytara, einem Dorf, dessen Namen er vor wenigen Wochen noch nicht einmal gekannt hatte. Schwerfällig erhob sich Lamar von seinem Lager, er gähnte, tapste verschlafen zum Waschstand hinüber und steckte seinen Kopf in die Waschschüssel. Danach wischte er sich das Wasser aus dem Gesicht und gähnte erneut. Seit drei Tagen lauschte er nun schon dem verschrobenen alten Mann, der ihm hier im Gasthaus eine Geschichte erzählte, von der er, Lamar, noch nie zuvor etwas gehört hatte. Der Geschichte von der Wiedergeburt eines untergegangenen Reiches, dem Zwist zweier Götter und einem schrecklichen Krieg.
    Und dennoch hatte es einst tatsächlich einen Kanzler namens Belior gegeben und einen Prinzen, der noch zu jung gewesen war, um selbst regieren zu können. Es gab auch diese zerstörte Stadt, Alt-Lytar, weit südlich der Kronstadt von Thyrmantor, vor allem aber gab es noch immer den Drachen Nestrok, der dem Paladin des Reiches bis heute diente. Wenn er in die Kronstadt zurückkehrte, sollte er vielleicht den Mut aufbringen, die Sera Sineale aufzusuchen und sie zu danach fragen, was ihr Drache von dieser alten Geschichte noch wusste. Doch es waren die Worte des Prinzen selbst gewesen, seines Cousins Prinz Teris, die ihn zum Grübeln gebracht hatten …
    Wobei die Verwandtschaftsbezeichnung »Cousin« irreführend war und eher dazu diente, den Umstand zu vertuschen, dass er, Lamar, im falschen Bett gezeugt worden war. Außerdem verkehrte der Prinz in ganz anderen Kreisen als er, der sich eher als Gelehrter denn als Krieger verstand, zum anderen wusste Lamar nur zu gut, dass der Prinz ihn nicht ausstehen konnte. Schon damals, als er vor vielen Jahren mit schlotternden Knien an den Königshof gekommen war, hatte der Prinz vor ihm gestanden und verächtlich auf ihn herabgeschaut. Lamar war damals erst sechs Jahre alt gewesen, und es hatte ihn getroffen, dass die Person, die er aus der Feme am meisten bewundert hatte, ihn als eine Unachtsamkeit seines Vaters vorstellte. Bis zum heutigen Tage hatte der Prinz sich nicht einmal die Mühe gemacht, Lamars Namen zu behalten.
    Danach hatten sie über mehrere Jahre nicht mehr viel miteinander zu tun gehabt, bis ihn vor einigen Tagen ein königlicher Bote aus dem Bett geholt und ihm mitgeteilt hatte, dass der Prinz ihn zu sehen wünschte. Den ganzen darauf folgenden Tag, war Lamar dann zu Pferd unterwegs gewesen, um den Prinzen in seinem Sommerpalast aufzusuchen. Dort angekommen, war er sofort zum Prinzen bestellt wurde.
    Schlank, wohlgestaltet, mit pechschwarzen Haaren, dunklen Augen und einem sinnlichen Mund, war dieser der Liebling des Hofes. Vor allem die holde Weiblichkeit war ihm zugetan. Mittlerweile drei Dutzend und acht Jahre alt, war er jedoch wie ein Kriegspferd, das an seinem Geschirr zerrte. Denn sein Vater, der König, lag nunmehr seit Jahren krank danieder, hielt aber immer noch am Leben und an seiner Krone fest. Sein Körper mochte ihn zwar im Stich gelassen haben, doch sein Geist war noch so wach wie eh und je. Dennoch rechnete im Königreich ein jeder damit, dass es bald mit ihm zu Ende gehen würde.
     
    »Cousin«, hatte der Prinz ohne Umschweife begonnen, ab Lamar vor ihm in die Knie gegangen war. »Ihr müsst mir helfen.«
    »Jawohl, Hoheit«, hatte Lamar geantwortet, obwohl er von der Reise erschöpft und durstig gewesen war und ihm seine Knie wehtaten. Wie gerne hätte er sich nach dem Ritt zuerst noch erfrischt, aber der Prinz war für seine Ungeduld bekannt.
    »Gestern kam eine dieser Priesterinnen Mistrals zu mir. Sie besaß die Unverschämtheit, mich in meinem Schlafgemach aufzusuchen, und forderte auch noch, dass ich ihr meine Aufmerksamkeit unter vier Augen gewähren sollte.« Der Prinz war sichtbar erregt zu einer Anrichte gegangen, wo er sich großzügig Wein einschenkte, um dann seiner Verärgerung weiter Ausdruck zu verleihen. »Dass die
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