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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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1. Kapitel
     
    Aus dem Schriftwechsel H.P. Lovecrafts
    mit Frank Belknap Long
     
    Providence, 26. Juli 1923
     
    Salve, mein Junge!
    In der vergangenen Nacht habe ich die letzten Zeilen meiner jüngsten Geschichte Das Unnennbare fertiggestellt und säume nicht, Dir ohne Verzug eine Abschrift zur gefälligen Lektüre zu übersenden. Wie stets soll mir Deine Kritik willkommen sein, wenngleich ich, wie Du weißt, ungern nachträgliche Abänderungen vornehme, sondern mich lieber dem Schreiben gänzlich neuer Phantasmagorien widme. So mancher unserer gestrengeren Mitstreiter im Amateurjournalismus wird einwenden, mangelnde Bereitschaft zum Überarbeiten eines Manuskripts sei ein Merkmal eines schlechten Autors, aber ich habe nun einmal meine eigenen, dezidierten Vorstellungen von Texten, die mich mit persönlicher Befriedigung über die erbrachte schöpferische Leistung erfüllen, und kenne deswegen keine Neigung, mich dem Mittelmaß von Literaturgazetten beeinflußter Belletristik zu beugen. Aus demselben Grund löst Dein gewiß gutgemeinter Ratschlag, eine dieser neumodischen Schreibmaschinen zu erwerben, um die Verkäuflichkeit meiner Erzählungen an professionelle Zeitschriften zu erhöhen, bei mir lediglich ablehnenden Widerhall aus. Mein getreuer Freund! Könnte man denn Wörter mit so magischem Klang wie »Cthulhu«, »Necronomicon« oder gar »Nyarlathotep« – in rein mechanischer Maschinenschrift niederschreiben, ohne sie ihrer quasi-atmosphärischen Assoziationen zu berauben und zu profanisieren? Dies will mir allerdings doch ganz und gar nicht in den Kopf.
    Nun aber zu einer wirklich aufregenden Neuigkeit! Ich werde schon bald eine Reise machen. Rätst Du, wohin? Es wird eine Seereise nach Großbritannien sein, genauer gesagt, nach Schottland. Das Schiff legt jedoch in Liverpool an, so daß ich auch England sehen werde, das Land der von uralten Geheimnissen umwitterten und mit geschichtsträchtigen Denkmälern gekrönten grünen Hügel, die Heimat wahrer Tradition und echten Adels, wo Gentlemen noch Gentlemen sind und die Inthronisation des Pöbels noch nicht solche Fortschritte wie hier in den als Vereinigte Staaten von Amerika bekannten englischen Kolonien gemacht hat. Sicherlich kannst du Dir mit Leichtigkeit ausmalen, wie diese Aussicht mich enthusiasmiert, und Du fragst Dich, wie, um alles in der Welt, ein Bücherwurm meines Schlages zu diesem Vorhaben kommt. Auf diese spannende Frage sollst Du sofort Auskunft erhalten: Es war nicht meine Idee. Vielmehr habe ich eine Einladung Roderick Ashtons erhalten, des Reklame-Texters, den ich, wie Du Dich sicher entsinnst, bei unserem ehrgeizigen jungen Freund Robert Howard in Texas kennengelernt habe. Ashton hat, wie ich Dir kürzlich schrieb, völlig unvermutet einen alten Herrensitz in der schottischen Wildnis geerbt. Seit etlichen Wochen hält er sich dort auf, ich glaube, schon seit Mitte oder Ende Mai. Der Grund seiner Einladung wird aus dem Telegramm nicht ganz klar, doch entnehme ich seinen Andeutungen – so erwähnt er ›ernste Verstrickungen‹ –, daß der Antritt des Erbes sich nicht problemlos gestaltet. Er verweist in Stichworten gar auf Bezüge zu dem durch und durch abscheulichen Fall Barlow, den wir einst diskussionshalber – im Zusammenhang mit dem Thema Schwarze Messen – als Beispiel für Umtriebe satanistischer Geheimbünde erörtert haben. Kannst Du Dir so etwas denken?! Darum bezeichnet er meine Anwesenheit als ›überaus wünschenswert‹, und da er, wie ein wahrer Gentleman, beiläufig den Großmut hatte, mir telegraphisch das Geld für die Passage zu überweisen, kann ich mich seinem Anliegen, zumal es mir große Abwechslung verspricht, schwerlich versagen.
    Ich gehe am 2. August in New York an Bord der zur Cunard-Linie gehörigen Aquitania und erreiche acht Tage später Liverpool. Offen gestanden, ich bin äußerst neugierig auf die Überfahrt. Und außerdem bin ich darüber froh, daß Ashton sein Gesuch im Sommer an mich richtet, denn wegen meiner Dir geläufigen Abneigung gegen niedrige Temperaturen hätte ich England nur sehr widerwillig im Winter aufgesucht.
    Meine Tanten, die praktisch bei Tag und Nacht für mein leibliches Wohl sorgen, sind natürlich im ersten Moment außer sich vor Schrecken gewesen, weil ich mein Heim noch nie auf so lange Dauer verlassen habe – und nie zuvor in so weite Fernen geschweift bin –, doch inzwischen haben sie sich dank meiner Beteuerungen, daß in jedem Jahr Hunderttausende von Menschen
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