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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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Ich schüttelte den Kopf. Natürlich, ich war kein Abstinenzler, und es gelang mir immer, meine Honorarschecks schnell unters Volk zu bringen. Aber ich wehrte mich mit Inbrunst dagegen, eine Kreatur zu sein, die sich voller Lüsternheit, wie Howard sagen würde, Szenen von ›unaussprechlicher Morbidität‹ anschaute. Als die Zigarette erloschen war, legte ich mich wieder hin und schlief tief und traumlos. In der darauffolgenden Woche, nachdem ich meine Angelegenheiten geordnet hatte, ging ich an Bord der Olympic und fuhr über das große Meer, in Richtung Liverpool.
    Die Nächte auf dem Schiff waren nicht anders als die zu Hause. Ich ging im Traum durch eine Halle, die nach Friedhof, Gruft und Verwesung roch, setzte wie hypnotisiert ein Bein vor das andere, passierte lange Korridore und blieb vor einer Tür aus Eichenholz stehen. Unmenschliche Laute drangen von allen Seiten auf mich ein. Ich öffnete die Tür. Abscheulicher Gestank und wilder, dröhnender Lärm schlugen mir entgegen: Heulen, Kreischen, Brüllen, Singen, Schluchzen, Lachen. Es roch nach Schwefel, Ammoniak und Pest. In Liverpool wankte ich in Schweiß gebadet und mit verquollenen Augen über die Gangway und ließ mich von einer Droschke zum Zug nach Glasgow bringen.

2. Kapitel
     
    Aus dem Schriftwechsel H.P. Lovecrafts
    mit Frank Belknap Long
     
    Auf dem Atlantik, 6. August 1923
     
    Mein lieber Junge,
    unterdessen hat die Aquitania über die Hälfte der Fahrtstrecke zurückgelegt und nähert sich dem guten, alten Europa, und ich habe meinen Vorsatz, die viele Zeit, die ich an Bord habe, zu nutzen, um Dir recht tüchtig besonders lange Briefe zu schreiben, nicht eingehalten.
    Zu meiner Entschuldigung muß ich erklären, daß ich bei der Abreise bedauerlicherweise nicht das Erfordernis berücksichtigt hatte, die Große Neufundland-Bank zu durchschiffen, die weit nördlich der äußersten Eisberggrenze liegt. Wäre mir vor der Abfahrt klar gewesen, daß ich mit dieser Reise eventuell ein Verbrechen an meiner Gesundheit verübe, hätte ich mich selbstverständlich mit gründlicherer Zweckmäßigkeit darauf vorbereitet. Selbst in Frühjahr und Sommer wird nämlich diese Route durch das Umhertreiben von Eisbergen verunsichert – ich hätte nur an die Titanic-Katastrophe zu denken brauchen –, und die Temperaturen steigen gegenwärtig auch des Tags, um die Mittagszeit, kaum über vierzehn Grad. Du kannst Dir gewiß ohne Mühe vorstellen, was ich infolge meiner Kälteempfindlichkeit für schauderhafte Unannehmlichkeiten zu erdulden hatte, bis es mir durch beharrliches Beschweren, das mich zuletzt gar zum Ersten Offizier führte, endlich gelang, wenigstens in meiner Kabine – einer ausgesprochenen luxuriösen Erster-Klasse-Kabine übrigens – erträgliche Verhältnisse einzurichten, die es mir gestatteten, diesen Abschnitt der Überfahrt leidlich durchzustehen. Zwar hatte ich meine liebe Not mit dem Zahlmeister, einem stupiden Stoffel vermutlich schwedischer Abkunft, der anscheinend in mir einen Querulanten sah und auf alle meine Bitten Versprechungen machte, ohne eine einzige Zusage einzuhalten, aber zum Glück erwies sich der Erste Offizier, obwohl polnischer Abstammung, als wirklicher Gentleman und zeigte Verständnis für meine Schwierigkeiten. Auf seinen Befehl wurde zusätzlich zu den vorhandenen Heizkörpern in der Kabine ein sehr schöner, gußeiserner Badeofen installiert und mir leihweise warme Unterkleidung sowie ein Wandersport-Patent-Schlafsack zur Verfügung gestellt. Dank dieser Fürsorge habe ich dann, unter den Decken meines Bettes gut eingemummelt, die kritische erste Hälfte der Atlantiküberquerung ohne ernsthafte Beeinträchtigungen (von einer gewissen Schwächung abgesehen), überdauern können, bis wir den 40." westlicher Länge schließlich hinter uns ließen.
    Die Aquitania, um Dich über diesen 45.650-Tonnen-Ozeandampfer zu informieren, der als Flaggschiff der Cunard-Linie fährt, die ferner die Dampfer Mauretania und Berengaria betreibt, hat vier Schornsteine, 970 Mann Besatzung und erreicht eine Geschwindigkeit von rund 24 Knoten. Sänke sie bei ihrer Länge von über 277 m im Südwesten Irlands, wie es 1915 der unglückseligen Lusitania erging, mit dem Bug voran, schlüge dieser auf den Meeresgrund, während das Heck noch aus der Meeresoberfläche ragte. Ha! Entfalte ich nicht, mein treuer Freund, eine wahrhaft morbide Phantasie? Nur gut, daß meine Tanten davon nicht das mindeste ahnen.
    Inzwischen wage ich wieder
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