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ePub: Der letzte Zauberlehrling

ePub: Der letzte Zauberlehrling

Titel: ePub: Der letzte Zauberlehrling
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Erstes Kapitel
    in dem der Zauberlehrling Humbert sich auf die Reise nach Paris machen muss
    D er letzte Tag meines alten Lebens begann nicht anders als ungezählte Tage vorher.
    Ich erwachte kurz nach Sonnenaufgang, wusch mich und zog mich an. Gordius schlief noch, wie es seine Gewohnheit war, und ich schlich leise in die Küche, bestrich eine Scheibe Weißbrot mit Hagebuttengelee und schenkte mir dazu einen Becher Milch ein. Dann hob ich Horatio aus seinem Käfig, steckte ihn in meine Jackentasche und trug Brot und Milch in den Garten, wo ich beides auf einem alten Holztisch abstellte. Ich fischte Horatio aus der Tasche und setzte ihn ins Gras, damit er ein wenig herumlaufen konnte. Von meinem Stuhl aus beobachtete ich ihn, während ich frühstückte.
    Nach einer Viertelstunde hob ich Horatio auf und ließ ihn wieder in meine Jackentasche gleiten. Dort rollte er sich zusammen und schlief ein. Ich überlegte gerade, ob ich noch genug Zeit hatte, um ins Dorf zu radeln und Johanna zu besuchen, als ich ein Geräusch hinter mir hörte. Gordius stand in der Tür, die Augen gegen das helle Sonnenlicht zusammengekniffen. Ich war überrascht, dass er nicht seine alte, abgeschabte Arbeitsjacke angezogen hatte, sondern das grob karierte grün-gelbe Jackett trug, das er meistens nur zu festlichen Anlässen aus dem Schrank holte.
    Er entdeckte mich und kam mit etwas ungelenken Schritten auf mich zugestakst. Ich hatte bereits vor einigen Wochen bemerkt, wie seine Bewegungen sich verändert hatten. Sie waren nicht mehr so flüssig wie zuvor, und morgens benötigte er eine immer längere Zeit, um sich auf sein Tagewerk vorzubereiten. Einmal hatte ich ihn darauf angesprochen, aber er hatte nur abgewinkt: »Das Zipperlein, Humbert, nichts als das Zipperlein. Das vergeht wieder.« Ich fand es allerdings ziemlich merkwürdig, warum ihn gerade im Hochsommer das Zipperlein befallen sollte, wenn die Nächte wärmer waren als im Winter die Tage und die milden Abendwinde die Haut streichelten, anstatt sie zum Gefrieren zu bringen.
    Natürlich hegte ich einen Verdacht: Gordius wurde alt. Dabei war er schon alt gewesen, als ich vor vielen Jahren zu ihm gekommen war. Aber wie bei allen Zauberern schienen auch seine Kräfte unerschöpflich zu sein. Es erschreckte mich ein wenig, zu sehen, dass sein Körper sich nicht unbegrenzte Zeit dem Verfall entgegenzustellen vermochte.
    Gordius ließ sich mit einem Ächzen auf den wackligen Gartenstuhl sacken, auf dem ich eben noch gehockt hatte. Er erspähte den leeren Becher und ein paar Brotkrümel auf dem Tisch.
    »Aha, schon gefrühstückt«, krächzte er. »Wacker, wacker. Morgenstund hat Gold im Mund, wie es so schön heißt.« Er nahm die Krümel und warf sie den Spatzen zu, die auf der Suche nach Essbarem auf der Wiese herumhüpften.
    Ich stand noch immer da, wo ich gestanden hatte, als er aus dem Haus getreten war. Mit einer Handbewegung bedeutete er mir, näher heranzutreten.
    »Humbert«, sagte er und legte mir seine knochige Hand auf die Schulter, »ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Du bist jetzt seit acht Jahren bei mir, und ich habe dir alles beigebracht, was ich weiß. Nun ist es an der Zeit, dir einen neuen Lehrmeister zu suchen.«
    Ich kann nicht sagen, dass mich diese Information umgehauen hätte, denn ich hatte schon seit längerer Zeit mit der Aufforderung, mich nach einem neuen Ausbildungsplatz umzusehen, gerechnet. Gordius war ein Zauberer Fünfter Klasse, und wenn ich einmal die Zaubererakademie besuchen wollte, dann musste ich meine Lehre bei einem Meister fortführen, der mindestens zur Dritten Klasse gehörte. Hinzu kam, dass Gordius sein Titel damals von der Akademie nur deshalb zuerkannt worden war, weil man ihn loswerden wollte. Das hatte mir der alte Tucker erzählt, der uns den Nachschub an magischen Utensilien lieferte.
    »Die meisten Schüler absolvieren die Akademie in zwölf Jahren«, hatte er mir zugeflüstert, während er aus den Fässern auf der Ladefläche seines Lieferwagens geheimnisvolle Flüssigkeiten in kleine Behälter abfüllte. »Gordius war nach fünfzehn Jahren noch nicht fertig, und es stand zu erwarten, dass er noch einige Zeit bis zur Prüfung brauchen würde. Erst wollten sie ihn einfach von der Akademie werfen, aber sein Onkel war einer der größten Geldgeber, und so beschloss das Kollegium, ihm kurzerhand den niedrigsten Grad zu verleihen, um ihn endlich loszuwerden. Arrogante Bastarde.«
    Tucker hatte den letzten Behälter
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