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ePub: Der letzte Zauberlehrling

ePub: Der letzte Zauberlehrling

Titel: ePub: Der letzte Zauberlehrling
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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gerade zum Lachen zumute. Gordius legte mir seine Hände auf die Schultern. »Ich werde dich vermissen, Humbert«, sagte er.
    »Sie nehmen doch sicher einen neuen Lehrling?«, fragte ich.
    »Die Zeiten haben sich geändert, Humbert. Niemand will mehr bei einem kleinen Dorfzauberer in die Lehre gehen. Die jungen Leute heute wollen in die Stadt zu Meistern, die modisch gekleidet sind und sich in der feinen Gesellschaft bewegen.«
    »Aber ich war doch auch bei Ihnen!«, rief ich.
    »Du warst auch ein besonderer Fall«, lächelte er. »Du wärst damals sogar beim Teufel in die Lehre gegangen, nur um ausdem Kinderheim herauszukommen, in dem du gelebt hast.«
    »Ich wäre auch freiwillig zu Ihnen gekommen«, protestierte ich vehement.
    Er sah mir einen Moment wortlos in die Augen, in denen ich nun doch die ersten Tränen spürte.
    »Mag sein, Humbert, mag sein«, murmelte er. Dann drückte er mich ganz kurz an sich, etwas, was er noch nie getan hatte, solange ich ihn kannte. Jetzt rollten mir wirklich ein paar dicke Tropfen über das Gesicht.
    »Nun aber wacker, wacker!«, rief Gordius und schob mich von sich. »Sonst fährt Tucker noch ohne dich ab. Und wenn du einen neuen Lehrmeister gefunden hast, dann schreib mir mal, ja?«
    Ich konnte mich nicht bewegen. Der Alte drehte mich an den Schultern zum Weg hin und gab mir einen leichten Stoß. »Ab mit dir, Humbert! Und grüß mir Paris!«
    Widerwillig trabte ich los. Am Gartentor hielt ich an und blickte mich um. Gordius hob die Hand und winkte. »Wacker, wacker!«, rief er noch einmal, und ich machte mich endgültig auf den Weg ins Dorf. Vor der ersten Wegbiegung drehte ich mich ein letztes Mal um. Der Alte stand noch immer im Garten, und ich weiß nicht, ob es die Entfernung war oder mein durch die Tränen getrübter Blick, aber er kam mir viel kleiner und zerbrechlicher vor als noch vor wenigen Minuten.
    Ich hob noch einmal zaghaft die Hand zum Gruß; dann ging ich um die Wegbiegung, und das Haus, der Garten und Gordius verschwanden hinter der hohen Hecke, die den Weg säumte.
    Ich wusste es damals natürlich noch nicht, aber ich sollte den Alten nie wiedersehen.

Zweites Kapitel
    in dem Humbert von einem Gerücht erfährt und eine interessante Bekanntschaft macht
    A m Dorfplatz wartete Tucker bereits auf mich. Er lehnte am Kotflügel seines altersschwachen Lastwagens und kaute auf einem Stück Süßholz herum. Die Tränen auf meinem Gesicht waren durch die milde Sommerluft getrocknet worden, aber die Trauer steckte noch tief in meinem Herzen. Und auch ein wenig Angst, denn ich wusste nicht, was die Zukunft für mich bereithielt.
    »Hey, Tucker!«, grüßte ich, und der alte Handelsmann spuckte braunen Saft auf die Straße und drehte sich dann zu mir hin.
    »Da bist du ja endlich, Kleiner«, brummte er. »Wird auch langsam Zeit. Ich warte schon den halben Tag auf dich.«
    Tucker war ein Brummkopf und neigte zu Übertreibungen, aber unter seiner rauen Schale steckte ein guter Kern. Er nahm mir meine Tasche aus der Hand und hob sie auf die Ladefläche.
    Der Dorfplatz lag verlassen in der Sonne. Um den kleinen Brunnen herum hatten sich ein paar Hunde auf den Steinen ausgestreckt und ließen es sich gut gehen. Vor dem Kaufmannsladen standen mehrere Frauen und tauschten den neuesten Klatsch aus. Ein Bauer rollte mit dem Pferdewagen an uns vorbei und hob grüßend die Hand. Von der Dorfschuleher wehten die Fetzen eines Liedes, das die Kinder gerade übten. Es war ein ganz normaler Morgen, so wie ich ihn schon tausend Mal erlebt hatte.
    Und wie ich ihn vielleicht nie wieder erleben würde.
    »Kann ich mich noch von jemandem verabschieden?«, fragte ich Tucker, der gerade dabei war, in die Fahrerkabine zu klettern.
    »Keine Zeit, Kleiner«, sagte er. »Dein Zug geht in einer Stunde und wir haben noch ein schönes Stück Weges vor uns. Du kannst deiner Liebsten eine Postkarte aus Paris schreiben.«
    Ich spürte, wie ich errötete. Wie hatte Tucker von mir und Johanna erfahren? Er musste mir die Verwirrung wohl an meinem Gesicht abgelesen haben, denn er grinste breit. »Der alte Tucker weiß so ziemlich alles, was hier in der Gegend vorgeht. Was allerdings nicht heißt, dass er es herumerzählt. Und nun komm!«
    Er ließ sich in den Fahrersitz sinken und zog die Tür hinter sich zu. Ich trottete um den Laster herum und kletterte auf der anderen Seite hinein. Tucker hatte den Wagen inzwischen angelassen, und kaum hatte ich die Beifahrertür geschlossen, setzte sich das Gefährt
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