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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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gewesen war, um die Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, war es hell genug. Er erkannte eine geduckte Gestalt, die sich in einen Winkel drückte.
    »Komm da raus«, knurrte der Beobachter böse. Sein rechter Fuß schoß vor und traf etwas. Die gebückte Gestalt stieß einen leisen Schrei aus. Der Beobachter griff zu. Blanker Haß glänzte in seinen Augen. Er zerrte den Spion aus dem Versteck und packte seinen Hals mit solcher Kraft, daß er ihn fast erdrosselt hätte. »Du?« sagte der Beobachter überrascht. Er fuhr zurück.
    Alles hatte er erwartet – aber nicht das. Er schaute in sein eigenes Gesicht.
    »Ja, Roderick. Ich.« Er erkannte Mitleid im Blick seines Gegenübers. Tiefe Resignation und Erschütterung sprachen aus seiner Stimme.
    »Nein«, keuchte der Beobachter. »Nicht du. Nicht einmal du darfst davon wissen …« Seine Rechte zuckte vor. Die Klinge bohrte sich tief in das Herz des Spions, und er brach stöhnend zusammen. Der Beobachter stieß ein zweites Mal zu. Diesmal traf die Klinge einen Knochen und brach ab. Er warf den Toten unter die Treppe und wankte zurück. Nun mußte es bald soweit sein. Er mußte sehen, was die Bestie und die anderen Schreckliches mit ihrem gefesselten Opfer anstellten. Er durfte es nicht versäumen. Und da hörte er das Opfer wieder schreien.
    Als ich erwachte, dämmerte ein neuer, kühler Morgen herauf. Hinter mir lag ein beängstigender Alptraum. Vor meinem inneren Auge hoben sich warzenbedeckte Hände mit Fingern, die in spitze Klauen ausliefen. Sie hatten im Traum mein Gesicht betastet, und mir war zumute, als spürte ich sie jetzt noch. Schweißnaß richtete ich mich im Bett auf. Mir fiel ein, daß der Rundfunk am vergangenen Abend für die Nacht leichten Bodenfrost vorhergesagt hatte, wie er im Frühjahr noch öfters auftritt, aber dennoch lief mir das Wasser in Strömen von der Stirn und vom Leib. Der Traum … Ein starkes Ekelgefühl packte mich, als mir einfiel, daß ich mir im Traum selbst begegnet war und mich getötet hatte. Ein Gefühl der Übelkeit breitete sich in mir aus. Ich sank nach Luft ringend auf das Bett zurück.
    Mein Geist schien wie in schwingenden Wellen eingehüllt.
    War ich tatsächlich der lüsterne Beobachter gewesen, der sein anderes Ich aus Scham und aus Furcht vor Entdeckung bestialisch umgebracht hatte? Saßen in den Tiefen meines Unterbewußtseins verborgene animalische Triebe, von denen ich im Wachzustand nichts ahnte?
    Nyarlep n’go ftaghn r’yleeh! Ich schüttelte mich bei der Erinnerung an diese Rufe. Für meine Begriffe klangen sie grausam und barbarisch. Hatte ich sie in meinem Traum gehört? Ich raffte mich auf und trat ans Fenster. New York lag im bleichen Mondlicht unter mir. Ein schwarzes Automobil, dessen vier Insassen mit dunklen Mänteln bekleidet waren, fuhr lautlos unter meinem Fenster dahin, und als ich sie sah, dachte ich mir, daß ihre Visagen wunderbar in den Film paßten, dessen Drehbuch ich am vergangenen Tag beendet hatte.
    Ich war überarbeitet, redete ich mir ein. Aber das war nicht alles. Ich trank auch zuviel. Der nervenzerrüttende Druck, unter der man unweigerlich leidet, wenn man einem Beruf nachgeht, den pünktlich zu erfüllen man eigentlich in Hollywood leben müßte, forderte ihren Tribut. Ich hatte als Autor jener bunten Magazine angefangen, deren bekanntestes sich Weird Tales nannte, und ein halbes Jahr später war ein Mitarbeiter Samuel Goldywns auf mich aufmerksam geworden. Nun arbeitete ich vorrangig für den Film, nicht zuletzt der guten Honorare wegen. Doch die Arbeit strengte ungemein an. Ich schlief schlecht, und wenn ich überhaupt schlief, träumte ich gruselige Dinge. Der Traum, der hinter mir lag, war so wirklichkeitsgetreu gewesen wie ein Film – und so zusammenhängend wie kaum ein anderer. Am seltsamsten an meinem Traum war, daß ich ihn schon mehrmals geträumt hatte, seit der eigenartige Brief aus Schottland bei mir lag. Ich hatte ihn in der letzten Woche so oft gelesen, daß ich ihn auswendig kannte.
     
    Werter Mr. Ashton,
    aufgrund einer Kette unglücklicher Zufälle haben wir erst heute erfahren, daß ein vor zehn Jahren von uns an Sie diktierter Brief, der Sie über das Ableben Ihres Bruders Stephen Ashton unterrichtet, unser Büro nie verlassen hat. Leider verstarb der Verfasser des Briefes, unser Mitinhaber Mr. Ian McTavish, einen Tag nach dem Diktat desselben.
    Mr. McTavishs Nachfolger übergab den Brief in der Annahme, der Fall sei erledigt, unserem Archiv, in dem er dieser
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