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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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aber Ausgeburten einer kranken Phantasie … Das will mir stark überzogen klingen, Sir.
    THORNHILL: Für den Moment vielen Dank, Mr. Lovecraft.

AUS DEM TAGEBUCH DES RODERICK ASHTON
     
    Als er die ausgetretenen, von unirdischem Bewuchs glitschigen Treppenstufen hinabstieg, drang dumpfes Heulen an seine Ohren. Es schien aus den Tiefen seiner Seele herauszugrölen. Dann hallte ein Gong durch die Finsternis. Der Mann hatte das schauerliche Gefühl, daß das Geräusch den Auftritt eines Ungeheuers ankündigte; einer Bestie, deren Erscheinen die in der Gruft Versammelten geschlossen zu wüstem Aufbrüllen der Begeisterung bewog.
    Der Mann blieb auf der untersten Treppenstufe stehen. Sein Blick fiel in eine große Halle. Er sah ein zierlich gebautes, rothaariges Mädchen, das mit gespreizten Beinen und nackt, wie Satan es erschaffen hatte, auf einem Altar lag. Es wartete voller Sehnsucht auf das silberne Messer, das sich gleich in die Mulde zwischen den Brüsten bohren sollte. Der Mann an der Treppe tat einen weiteren Schritt. Seine Knie zitterten, sein Blick war unstet. Als er den von Pechfackeln umsäumten Zugangsbogen erreichte, hinter dem sich die kreisrunde Halle ausbreitete, vernahm er die grauenhaften Töne der Bestie. Das Mädchen auf dem Altar hob den Kopf und schrie ebenfalls.
    Schrei nur, kleine Teufelin, schrei nur, dachte er. Er blieb am Eingang stehen, schob die Hände in die Taschen seines Jacketts und warf einen Blick in die Runde. In den Tiefen der Gruft herrschten Terror und Verkommenheit. Die Anwesenden tanzten mit obszönen Gesten und schrillen Schreien um den marmornen Altar, der die Mitte des Raumes einnahm. Das rothaarige Mädchen war angeschnallt und nahm die gespenstische Umgebung nur halb wahr. Man hatte es mit Drogen vollgepumpt. Es lebte in der Überzeugung, allen Geistern und Götzen der Hölle ausgeliefert zu sein.
    Die Tänzer waren Alptraumgestalten. Auch der Mann am Fuße der Treppe konnte nicht verhindern, daß sich auf seinem Rücken eine Gänsehaut bildete. Die Tanzenden hatten sich mit grellen Farben beschmiert, hüpften in satanischem Reigen um den Altar und heulten wie Wölfe. Sie glänzten verschwitzt, und ihre Augen schienen unter dem Einfluß dämonischer Kräutersalben ein Eigenleben entwickelt zu haben. Für den Mann am Fuß der Treppe sahen die Beteiligten wie Wahnsinnige aus. Warum, fragte er sich, habe ich keine Furcht vor ihnen? Dann trat die Bestie vor; ein hünenhaftes, von Kopf bis Fuß behaartes Wesen, das einem Menschen ähnelte. Das Gesicht war hinter einer roten Maske verborgen. Es näherte sich mit festen Schritten seinem Opfer, und der Schoß des sich im Rausch windenden Mädchens zuckte. Wieder wurde von unsichtbarer Hand der Gong geschlagen. Dann setzten Trommeln ein und versetzten die Teilnehmer des Rituales in Ekstase. Der Blick des Mannes an der Treppe fiel auf die glänzenden Körper dreier Frauen; sie schlugen die Trommeln mit wilder, rhythmischer Kraft, als wären sie in Trance.
    Im Schein der Fackeln blitzte in der Hand der Bestie eine Messerklinge auf. Die Meute schrie, und der namenlose Beobachter unterdrückte ein erregtes, sich in seiner Kehle bildendes Würgen. Er wußte, daß das, was er sah, nicht nur den Zweck hatte, diabolisch und grausam zu sein. Es steckte etwas anderes dahinter. Er sah es an den sich wie spastisch krümmenden Tänzern, die sich nun aneinander drängten, als wollten sie … Ein Geräusch ließ ihn trotz seiner Spannung und des beinahe lüsternen Stöhnens, das nun aus der Halle drang, beunruhigt herumfahren. Der Trommelwirbel verstummte. Dann vernahm er das Kreischen des gefesselten Opfers.
    Er hatte deutlich gehört, daß sich hinter seinem Rücken jemand auf leichten Füßen bewegte. Er vergaß die abscheuliche Gesellschaft, die hinter ihm ihre Orgie feierte. Alle Geräusche wichen in seinem Gehör in den Hintergrund. Seine Ohren konzentrierte sich auf etwas anderes; auf etwas, das nur er vernahm. Dann sah er den Schatten. Irgend jemand war hinter ihm die Treppe hinuntergekommen und hatte sich unter ihr versteckt.
    Der Beobachter griff in die Jackentasche und zückte ein Messer. Es durfte keinen Skandal geben. Niemand durfte wissen, daß er hier gewesen war und der Orgie zugeschaut hatte. Niemand durfte wissen, daß er sich für diese Dinge interessierte. Niemand … Er mußte den Spion töten. Er mußte verhindern, daß sich etwas herumsprach. Er näherte sich der Treppe. Für einen Menschen, der lange genug hier unten
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