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Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Autoren: Erin Duffy
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in den zwölften Stock. Annie und ich hatten uns im ersten Studien jahr an der University o f Virginia angefreundet. Wir wohnten auf demselben Flur im selben Wohnheim. Eines Nachts, als sich unsere Tutorin mit ihrem Freund in ihrem Zimmer eingeschlossen hatte, klauten wir das Sofa aus der Lounge und trugen es in Annies Zimmer am Ende des Flurs. Als sie eine Woche später erwischt wurde, musste sie zur Strafe einen Monat lang die Post in der Poststelle der Uni sortieren. Aber sie verriet der Tutorin nicht, dass der große Couchraub von 2002 von meiner Wenigkeit initiiert wurde. Dafür werde ich sie immer lieben.
    Annie hatte beschlossen, so lange wie möglich zu studieren, und wollte ihren Master in Psychologie an der New Yorker Uni machen. Nachdem sie herausgefunden hatte, wie früh Liv und ich aufstehen mussten, seit wir zur arbeitenden Bevölkerung gehörten, war sie ziemlich sicher, dass sie dieses Ziel nicht an strebte.
    »Wie um alles in der Welt schafft ihr es, um halb sechs aufzustehen und um drei Uhr nachmittags nicht wie ein Zombie auszusehen?«, fragte Annie. »Das ist unchristlich.« Sie sah mich auf die gleiche Art an, wie ich Menschen über vierzig ansehe, die nicht verheiratet sind: mit unverstelltem Mitleid. Sie saß auf dem Fußboden im Wohnzimmer und klemmte sich die blon den Locken hinter die Ohren. Annie hatte als Kind Sport ge trieben und besaß einen gelenkigen, wohlgeformten Körper, den ich nicht mal hätte, wenn ich mich ausschließlich von Karotten ernähren würde. Ich weiß das genau. Ich habe es fast das ganze erste Studienjahr probiert.
    »Ich bin sicher, dass ich mich daran gewöhnen werde«, sagte ich, während ich meine Pullover in den Schrank stopfte.
    »Ich würde lieber sterben«, fügte Annie hinzu.
    »Bist du aufgeregt?«, fragte Liv, während sie zwei Umzugskartons mit einem Teppichmesser zerlegte und sie flach an die Wand lehnte. Mit ihren perfekt manikürten Nägeln pflückte sie Staubflusen von ihren schwarzen Spandex-Shorts und fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Ich fange erst nächste Woche an und habe ziemlichen Schiss.«
    »Ich bin aufgeregt und ein klein wenig nervös. Es ist ein bisschen wie der erste Schultag. Neue Leute, neue Orte. Ich hoffe, ich vermassle es nicht total.«
    »Du wirst es prima machen«, versicherte Annie mir, als sie sich erhob, um in ihre eigene Wohnung an der Upper West Side zu gehen – und damit meine ich die Wohnung, die ihre Eltern unterhielten, um zweimal im Jahr eine Show in Manhattan zu besuchen. Sie umarmte mich schnell und winkte Liv zum Abschied zu, als sie zum Fahrstuhl ging. »Ruf mich morgen an und sag mir, wie es gelaufen ist!«, rief sie über ihre Schulter.
    Ich half Liv, Kartons in den Abstellraum am Ende des Flures zu tragen, und die nächsten paar Stunden beschäftigten wir uns mit Auspacken, Saubermachen, Aufhängen, Bügeln, Scheuern und Organisieren. Und wir versicherten uns wieder und wieder, wie toll wir es fanden, unser eigenes Apartment in Manhattan zu haben. Um halb zehn – viele Kartons waren noch nicht ausgepackt – ging ich zu Bett und betete, dass meine erste Arbeitswoche gnädig mit mir sein würde. Ich bin sicher, dass es nicht zu schlimm wird , redete ich mir gut zu. Es ist nur ein Job. Wie schlimm kann das schon sein?

2
    Sie ist süß. Ist sie was für mich?
    Am ersten Tag war ich so aufgeregt, dass ich kaum Luft bekam. Ich fasste es nicht, dass ich das Ziel erreicht hatte, das ich mir als Achtjährige gesetzt hatte. Aber so war es. Und ich war bereit, alles zu tun, was die Menschen innerhalb dieses Gebäudes auch immer taten. Ich setzte mich zu den anderen insgesamt fünfundzwanzig neuen Analysten in einem Konferenzraum im Hauptflur des Gebäudes. Ich sah mir die anderen jungen Menschen in dem Bewusstsein an, dass sie alle aus dem gleichen Grund hier waren: Geld und vielleicht die eine oder andere Aktie. Ich befürchtete nur, dass meine romantischeren Motive, die meinen wunderbaren Kindheitserinnerungen und dem Wunsch, meinem Vater nachzueifern, entsprangen, dazu führten, nicht mit ihnen konkurrieren zu können. Ich redete mir ein, dass der Rest der Gruppe die Fibonacci-Folge wahrscheinlich schon mit zwölf auswendig gekannt hatte. Meine Aufregung steigerte sich sehr schnell zu Angst, und je länger ich in diesem Konferenzraum saß, desto mehr wurde aus meiner Angst reines Entsetzen. Wir saßen dort schweigend und hörten uns den Vortrag einer übergewichtigen Frau mit dunklem, lockigem Haar und
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