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Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Autoren: Erin Duffy
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zugeteilt, der Abteilung für den Handel und Verkauf von Anleihen und Zinsderivaten. Im Flur wurden wir schon erwartet; alle wussten irgendwie, welchen ahnungslosen Analysten sie sich unter den Nagel reißen konnten. Als ich den Marmorfußboden betrat, wurde ich umgehend von einem stämmigen Mann mit unerhört grünen Augen und kurzem braunem Haar in Empfang genommen. Er war imposant und weltmännisch, auf robuste Weise attraktiv, die Art von Typ, die sofort Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ich schätzte ihn auf Mitte vierzig, weil seine Schläfen schon leicht grau wurden, aber es war schwer zu sagen. Ärgerlicherweise ist das bei Männern häufig der Fall. Er schien mit jeder Pore so mühelos Charisma zu verströmen wie andere Menschen Schweiß. Seine Chinos und sein blau-weiß-kariertes Hemd waren makellos gebügelt, und sein brauner Tweed-Blazer saß perfekt. Er sah wie ein braunhaariger Ken aus, nur eben aus Fleisch und Blut. Als er die Hand zur Begrüßung ausstreckte, bemerkte ich, dass seine Finger dick und plump, aber seine Haut glatt und die Nägel perfekt manikürt waren. Ein interessanter Gegensatz: der Inbegriff eines Machos, der makellos polierte Nägel schätzte. Das war mein erster Kontakt mit einem wasch echten Cromwell-Händler, und, weit wichtiger, mein erster Kon takt mit Ed Ciccone, besser bekannt als Chick. Meinem Boss.
    Chick war ein Veteran auf dem Parkett. Ich erfuhr, dass er bereits seit zwanzig Jahren im Business war, fünfzehn davon auf exakt diesem Parkett. Er war smart, liebte Konkurrenzkampf und konnte so gut wie alles verkaufen. An der Street war er bekannt dafür, ausgiebig zu feiern, verschwenderisch zu leben und mit wenig bis null Schlaf auszukommen. Er war unglaublich erfolgreich, äußerst beliebt und mächtig einschüchternd. Mit Formalitäten verschwendete er keine Zeit. Nach einem kurzen Händedruck drehte er sich um und ging in Richtung Handelssaal. Es war ein riesiger Raum, der nahezu die gesamte Etage des Gebäudes einnahm, bis auf das Foyer bei den Fahrstühlen und einer Kaffeebar im Flur gleich daneben, um die herum es vor Menschen wimmelte, die wahrscheinlich schon genug Koffein intus hatten, sowie einige wenige Büros an den Seiten. Vom Flur bei den Fahrstühlen aus hörte ich Ausrufe auf dem Parkett und spürte, wie meine Hände feucht wurden. Es schien das absolute Chaos zu sein. Menschen – neun von zehn waren Männer – rasten durch den Saal, wetzten mit ihren Loafern den ehemals flauschigen Teppich weiter ab, redeten, lachten, fluchten. Einige trugen Krawatten und Jacketts, die meisten jedoch Chinos und ihre jeweilige Stimmung auf der Stirn. Auf dem Weg zu der schmalen Treppe, die hinunterführte ins Parkett, mussten wir uns durch eine Menschenmenge schlängeln. Zum ersten Mal sah ich riesige Flaggen von der Decke hängen, Trophäen der Firma für die Auszeichnungen, die sie im Laufe der Jahre erhalten hatte, ähnlich den Championship-Flaggen im Madison Square Garden. Der Raum war enorm groß. Hier konnte ein Mädchen sich leicht verlaufen und erst mithilfe der Hundestaffel der New Yorker Polizei wieder aufgespürt werden. Ich merkte, wie meine Beine zu zittern anfingen.
    Chick redete unglaublich schnell, so als bräuchten seine Lun gen weniger Sauerstoff als die normaler Menschen. Sein Lächeln war freundlich und seine Haltung herzlich, aber gleichzeitig hatte ich das dumpfe Gefühl, dass er, sollte ich es vermasseln, dafür sorgen würde, dass ich den Rest meines Cromwell-Berufslebens FedEx-Umschläge postfertig machen müsste. Kurz vor der schmalen Treppe, die aufs Parkett führte, wandten wir uns nach links und gingen durch einen Flur, an dem sich eine Reihe durch Glasscheiben abgetrennte Büros befanden. Auf kleinen Schildern neben der Tür stand der jeweilige Name des Inhabers, ein kleines Statussymbol, das die Privilegierten von ihren weniger privilegierten Kollegen unterschied. Nur sehr altgediente Manager erhielten ein Büro, da es von Letzteren nur sehr wenige gab auf dieser Etage. Die Mehrheit der Angestellten verfügte über einen Stuhl an ihrem Tisch im Handelssaal. Für sie gab es keine Privatsphäre, keine Durchwahl-Telefonnummern, keine Chance auf auch nur zwei Minuten Alleinsein während des Tages, es sei denn, sie schlossen sich auf dem Klo ein. Chick gehörte nicht zu dieser Mehrheit.
    Wir passierten seine Sekretärin, die Chick kurz als Nancy vorstellte, dann stieß er die schwere Glastür zu seinem Büro auf. Ich starrte durch bodenhohe Fenster
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