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Rolf Torring 079 - Doktor Gallas Spinnen

Rolf Torring 079 - Doktor Gallas Spinnen

Titel: Rolf Torring 079 - Doktor Gallas Spinnen
Autoren: Hans Warren
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      1. Kapitel Ein seltsamer Reisegenosse  
     
    Mir schwirrte ordentlich der Kopf, als der alte Herr, der uns im Wagenabteil gegenübersaß, geendet hatte. Sein Vortrag hatte vor fast einer Stunde begonnen, als ich, zu Rolf gewandt, beiläufig erwähnte, daß ich mich auf Benares freue.  
      Da war der alte Herr aus seiner zusammengesunkenen Haltung aufgefahren und hatte gesprochen.  
      Vom sechsten Jahrhundert vor Christi Geburt an hörten wir die Geschichte der alten, berühmten Gangesstadt. Bis zur heutigen Zeit lernten wir ihre Entwicklung kennen. Alle wichtigen Gebäude wurden uns genannt, die Zunahme des Handels die jährliche Pilgerzahl, der alte Glaube an die Heiligkeit des Gangeswassers gerade aus Benares die Fakire . . . das alles schwirrte um uns herum. Mit einer Zungenfertigkeit und einer inneren Begeisterung sprach der alte Herr, daß wir ihn nicht unterbrechen konnten.  
      Alles war sehr lehrreich, aber es war zu viel für die knappe Stunde. Es war ein Vortrag, der für vier oder fünf Universitätsstunden ausgereicht hätte.  
      Der alte Herr wischte sich die Stirn mit einem seidenen Tuch, dann murmelte er:  
      „Ja, Benares ist schön, wenn nur der Doktor . .  
      Er brach ab und sank in sich zusammen. Verblüfft blickte ich Rolf an. War der alte Herr durch jahrelangen Tropenaufenthalt krank? Rolf blickte die zusammengesunkene Gestalt ernst an, dann sagte er:  
      „Schade, daß er den Namen nicht mehr genannt hat. Hoffentlich ist er nicht tot."  
      Bestürzt über die Worte sprang ich auf und wollte mich über den alten Herrn beugen, da warf mich Rolf mit einer energischen Handbewegung zurück und rief:  
      „Willst du auch sterben? Das plötzliche Zusammensinken ist sicher auf eine Vergiftung zurückzuführen. Ich möchte wetten, daß entweder das Taschentuch schuld ist oder ..."  
      Rolf brach ab, sprang auf und blickte erst in das eine, dann in das andere Nebenabteil. Mißmutig kam er zurück und sagte:  
      „Daran hätte ich eher denken müssen! In der Zeit, die ich hier nutzlos versuchte, konnte sich der Täter in Sicherheit bringen. Wir sind bestimmt belauscht worden. Als der alte Herr gerade den Namen eines Doktors aussprechen wollte, hinderte ihn der Lauscher daran. Wir müssen sehen, ob wir herausfinden, wie das Attentat verübt worden ist."  
      Langsam näherte sich Rolf dem Reglosen, dessen Kopf tief auf die Brust gesunken war. Sorgsam prüfte er die Luft, ob er einen besonderen Geruch wahrnehmen könnte, der das Vorhandensein von Gift verriet, dann nahm er dem alten Herrn das Taschentuch aus der Hand und roch daran.  
      „Nein," sagte er, „das Tuch ist einwandfrei."  
      Rolf suchte weiter.  
      „Halt, hier haben wir es!" rief er.  
      Rolfs Blick war auf den Nacken des alten Herrn gefallen.  
      „Der Täter hatte es nicht schwer," sagte er. „Vom Nebenabteil aus konnte er die Erzählung des alten Herrn genau mithören. Als der Name des Doktors fallen sollte, trieb er ihm durch die Spalten der Banklatten eine vergiftete Nadel in den Hals. Das konnten wir gar nicht bemerken."  
      Die indischen Eisenbahnen sind in ihrer Innenausstattung — das muß man zum Verständnis wissen — nicht so stabil gebaut wie unsere deutschen. Wohl sind die Bänke so angeordnet wie die Bänke unserer deutschen D-Zugwagen. Sie stehen also senkrecht zu den Fenstern. Obwohl die Abteile nicht durch eine Tür voneinander getrennt sind, kann man die Reisenden des Nachbarabteils nicht ohne weiteres sehen, denn die Rückenlehnen der Bänke sind so hoch, daß man sich aufstellen und auf die Zehen heben müßte, um hinüberzublicken. Aber die Rückenlehnen bestehen in ihrem oberen Teil nur aus gehobelten und gestrichenen Latten mit fast fingerbreiten Zwischenräumen. Man konnte mit einem Stöckchen bequem durch sie hindurch langen.  
      Vielleicht hatte der Täter die Nadel an einem Stöckchen befestigt, als er sie — durch die Lattenzwischenräume durchlangend — dem alten Herrn in den Nacken stieß.  
      „Hier hast du den Stich und die rötliche Anschwellung rings herum," sagte Rolf. „Es muß sich um ein schnell wirkendes Gift handeln, denn der alte Herr brach sofort zusammen."  
      „Wollen wir den Zugschaffner benachrichtigen?" fragte ich.  
      „Selbstverständlich," nickte Rolf. „Bleib du hier. Ich werde ihn suchen und mir dabei gleich die Reisenden ansehen."  
      Rolf verließ das Abteil. Allein mit dem reglosen alten Herrn
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