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Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Autoren: Erin Duffy
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neue Spielsachen kriegte?
    Es wurde ein Ritual. Mein Dad nahm mich ein paarmal pro Jahr mit in sein Büro, sogar noch bevor es einen offiziellen »Take Your Child to Work«-Tag gab. An Tagen, an denen die Märkte früh schlossen und er nicht beschäftigt war, erlaubte er mir, ihm und den anderen Erwachsenen bei der Arbeit zuzu sehen. Wir nahmen den Zug von Connecticut zur Grand Central Station, und dann die U-Bahn zur Wall Street, wo er als Banker bei Sterling Price arbeitete. Dann saß ich an seinem Schreibtisch und spielte mit all seinen Computern. Er hatte zwei verschiedene Tastaturen, mehr Telefonanschlüsse, als ich Freunde hatte, und ich hatte unbegrenzten Zugang zu Süßigkeiten und Keksen aus der Cafeteria im Erdgeschoss. Von dem Moment an, an dem ich den Glamour der Wall-Street-Maschinerie wahrnahm, war es um mich geschehen. Die City vibrierte wie kein anderer mir bekannter Ort; sie war und ist das ökonomische Epizentrum des Universums. Alle bewegten sich zielgerichtet: Man sah nie Leute, die schlenderten oder in den verschlungenen Straßen südlich des Kanals einen Schaufensterbummel machten. Da unten waren die Menschen immer beschäftigt. Zeit war Geld, und Geld war alles, woran jeder dachte: wie man es machte, wie man es behielt, wie man sicherstellte, dass nicht irgendjemand mehr hatte als man selbst. Es war elektrisierend.
    »Beeil dich, Alex! Hier wirst du umgerannt, wenn du nicht aufpasst!« Mein Dad winkte mir, ihm zu folgen und schlängelte sich durch die Menschenmassen, während ich versuchte, sein marineblaues Jackett im Auge zu behalten. Männer im Finanzdistrikt traten ziemlich großspurig auf in ihren Nadelstreifen – sie waren die Yankees von Lower Manhattan. Alles, was ich Downtown sah, wirkte teuer: Männer trugen elegante italienische Anzüge, seidene Hermès-Krawatten, glänzende Lederschuhe. Als ich die New Yorker Börse das erste Mal sah, war es, als erblickte ich den Parthenon. Die amerikanische Flagge hing stolz an einer der vielen ionischen Säulen, das Gebäude erstreckte sich über einen ganzen Häuserblock. Ich war erst acht Jahre alt, aber ich hatte bereits das Gefühl, Teil von etwas ganz Besonderem zu sein. Mir taten die Menschen leid, die diesem Ort nie nah genug kommen würden, um zu ermessen, was sie versäumten, und ich war unheimlich glücklich, dass ich nicht zu ihnen gehörte. Ich beschloss, dass sich das nie ändern sollte.
    Mein Vater hatte keine Ahnung, dass diese Tage mein gesamtes Leben bestimmen würden.
    »Das Business« nannten mein Vater und all die anderen Wall-Street-Typen die Finanzindustrie, als ob es keine anderen Berufe auf der Welt gäbe. Und für sie traf das auch zu. Als ich das allererste Mal mit ihm in sein Büro ging, wusste ich, dass es das war, was ich tun wollte. Meine Eltern machten sich immer lustig darüber, dass ich so viel Energie hatte, manchmal zu viel. Meine Lehrer kritisierten, dass ich zu viel redete während des Unterrichts, dass ich durch die Flure rannte, dass ich den Unterschied zwischen meiner »inneren« und meiner »äußeren« Stimme nicht kannte. Wie sehr ich mich auch bemühte, ich schien meine Energie nie im Zaum halten zu können, und ich befürchtete, dass es etwas war, was mir später im Erwachsenenalter Probleme machen würde.
    Aber in den Korridoren von Sterling Price rannten alle. Außer dem, soweit ich das beurteilen konnte, gab es so etwas wie eine innere Stimme gar nicht, und alle hingen nur den ganzen Tag am Telefon oder unterhielten sich miteinander. Es war wie ein riesiger Erwachsenenspielplatz, wo Leute all das tun konnten, was mir immer verboten war. Es war fantastisch! Ich hatte das Gefühl, eine Welt zu betreten, wo alles, was mich von den anderen Kindern unterschied, geschätzt wurde. Ich hatte das Gefühl hierherzugehören. Von dem Moment an hatte ich nur noch den Traum, an der »Street« zu arbeiten – ich wollte nie Balletttän zerin werden, Astronautin oder Lehrerin. Aus mir wurde die Acht jährige, die in der Finanzwelt arbeiten wollte – das merkwürdige, frühreife, »interessante« Kind. Meine Lehrer fanden mich amüsant. Meine Mutter nahm an, dass ich da rauswachsen würde. Aber sie irrte. Ich wusste in der vierten Klasse zwar nicht, welches Mäppchen ich haben wollte, aber welchen Beruf ich ergreifen wollte, das wusste ich. Und sobald ich mir einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte mich niemand davon abbringen.
    Die nächsten zwölf Jahre widmete ich dem Ziel, einen Job an der Wall Street
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