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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Gary Paulsen
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– um dann ein kleines Festmahl zu veranstalten.
    Unschlüssig saß Brian vor einem kleinen schwarzen Kästchen. Es war offenbar ein elektronisches Gerät, wasserdicht in Plastikfolie eingeschweißt. Anfangs hatte Brian geglaubt, es sei ein Kofferradio oder Rekorder. Wie hatte er sich manchmal nach Musik gesehnt, nach den Texten der Songs, die er liebte – nach menschlichen Stimmen.
    Doch als er das schwarze Kästchen aus der Verpackung schälte, hielt er es rätselnd in der Hand und drehte es hin und her. Es war eindeutig kein Radio und auch kein Rekorder. An einer Seite hing ein Draht heraus, zusammengerollt und mit Isolierband festgehalten. Nachdem Brian den Klebestreifen abgerissen hatte, entrollte sich der Draht zu einer langen, federnden Antenne. Da war kein Lautsprecher zu entdecken, auch keine Skala der Sendestationen. Nur an der Oberseite fand Brian einen kleinen Schalter. Doch als er den Kasten umdrehte, fand er auf der Unterseite ein Schildchen mit Druckbuchstaben:
    Notfunkgerät.
    Aha! Das war es also. Er drehte den Schalter ein paarmal hin und her, aber nichts passierte. Kein Lämpchen flammte auf und es war nichts zu hören – nicht einmal das Rauschen der Funkstörungen. Gleichgültig legte Brian das Kästchen hinter sich, neben das Gewehr an der Hüttenwand, und stöberte weiter in diesem Sack voll rätselhafter Überraschungen. Wahrscheinlich war das Funkgerät beim Flugzeugabsturz kaputtgegangen.
    Oh, zwei Stück Seife!
    Jeden Tag hatte Brian im See gebadet, den ganzen Sommer lang. Doch klares Wasser, ohne Seife, war einfach machtlos gegen das verfilzte Gestrüpp der Haare auf seinem Kopf. Von Ruß und Harz verschmiert und klebrig vom Fett der Vögel und Fische, die er am Feuer gebraten hatte, von Sonne und Wind gebleicht und gekräuselt, hing ihm die Mähne tief in die Stirn und über die Ohren. Jetzt aber konnte er sie mit der Schere aus dem Verbandszeug stutzen und anschließend mit Seife gründlich waschen.
    Vorher aber – jetzt endlich – die Lebensmittelrationen.
    Es waren lauter luftdicht verpackte Beutel mit Trockenobst, die man – wie die Gebrauchsanleitung sagte – nur noch mit Wasser anrühren musste. »Das ist ein Vorrat für die Ewigkeit!«, staunte Brian. Ungläubig holte er nacheinander all diese Schätze hervor, dehydriertes Kalbsschnitzel mit Kartoffelbrei, Nudeln mit Käse und Hackfleischsoße, gekochte Hühnerbrust und gebratenes Putenschnitzel, Bratkartoffeln mit Rührei und alle Sorten von Frühstücksflocken, Kakao und Milchmixgetränke … Brian konnte gar nicht mitzählen, er fühlte sich wie im Schlaraffenland. Er stapelte all die Herrlichkeiten vor der Wand seiner Hütte, saß davor und streichelte sie mit den Augen.
    Wenn ich sparsam bin, dachte Brian, werde ich nie mehr Hunger haben, bis endlich … Ja, bis wann? Längst hatte Brian aufgehört die Tage zu zählen. Die Hoffnung auf Rettung von außen hatte er aufgegeben. Er hatte gelernt sich selbst zu vertrauen. Er war ein neuer Mensch geworden!
    »Nein«, lachte er, »ich will nicht sparsam sein!« Sparen konnte er später immer noch. Brian wollte ein Festmahl feiern und sich den Bauch vollschlagen, bis er umfiel. Danach war immer noch Zeit genug, sparsam zu sein.
    Er nahm sich die Essensrationen wieder vor und wählte aus, was er sich für sein Festmahl wünschte: ein Eintopfgericht, bestehend aus Fleisch und Kartoffeln, dazu Orangensaft und als Nachspeise etwas, das auf der Packung als Pfirsich-Creme bezeichnet war. Nur Wasser hinzufügen, hieß es in der Gebrauchsanleitung, und eine halbe Stunde kochen, bis alles gar und zu normaler Größe gequollen sei.
    Brian lief an den See, schöpfte Wasser mit einem der Aluminiumtöpfe und kehrte zurück ans Feuer. Auch darüber staunte er: Wie einfach es war, Wasser in einem Kochtopf zu holen. So eine einfache Sache – und seit zwei Monaten hatte er’s nicht mehr tun können. Er maß die Mengen ab und stellte das Fleischgericht und den Pfirsichpudding aufs Feuer. Dann lief er noch einmal an den See und holte Wasser, um den Orangensaft anzurühren.
    Der Saft schmeckte aromatisch und süß – beinahe allzu süß, fand Brian. Aber er war gut. Brian hielt die Flüssigkeit ein Weilchen im Mund und ließ sie über die Zunge rieseln. Er spülte sie hin und her, durch die Zähne, und schluckte endlich – und schluckte dann noch einmal.
    Wirklich gut!, dachte er. Sehr gut. Wieder holte er Wasser vom See, mixte sich noch einen Drink, trank schnell aus, und dann einen dritten.
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