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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Gary Paulsen
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sich Brian. Hör endlich auf, dir solche Bilder auszumalen. Sonst wirst du verrückt.
    Brian war nahe daran, zurück ans Ufer zu schwimmen und diesen ganzen Plan zu vergessen. Doch der Gedanke an all die Schätze im Überlebenspaket war stärker. Er musste es schaffen, dieses Paket aus dem Wasser zu holen; vielleicht wenigstens etwas von der Notration herauszuholen, und wenn es nur eine Tafel Schokolade wäre …
    Eine Tafel Schokolade! Es würde die Mühe lohnen. Aber wie sollte er ins Wrack gelangen?
    Brian ließ sich vom Floß ins Wasser gleiten und zog sich am Rumpf des Flugzeugs entlang. Nirgends eine Öffnung. Dreimal tauchte er hinunter, riss die Augen weit auf und spähte in die Tiefe. Im trüben Wasser erkannte er – nur zwei Meter weit – den verschwommenen Umriss des Flugzeugs. Aber es gab keine Möglichkeit, ins Innere zu gelangen. Der Traum war aus.

18
    Dreimal umrundete Brian das Heck des Flugzeugs – vergeblich. Mit einer Hand an das Höhenruder geklammert, das flach aus dem Wasser ragte, zog er sich schwimmend weiter und suchte nach einem Weg in das Innere des Wracks.
    Wie dumm!, dachte er. Wie töricht war seine Idee gewesen, einfach hinauszuschwimmen und dieses Überlebenspaket aus dem Flugzeug zu holen. So einfach ging die Sache nicht. Und doch wollte Brian nicht aufgeben. Er glaubte daran, dass es einen Weg geben musste.
    Trotzig schlug er mit der Faust gegen die Aluminiumhülle. Es dröhnte hohl – und zu Brians Überraschung gab das Blech nach. Eine tiefe Delle zeigte die Stelle, wo seine Faust getroffen hatte. Noch einmal schlug er zu – neugierig diesmal und nicht mehr im Zorn. Ja, tatsächlich, das Blech gab nach. Es bog sich sogar, wenn er mit der flachen Hand dagegendrückte. Wahrscheinlich war es eine dünne Aluminiumhaut, die sich über das Rohrgestänge im Innern spannte. Wenn sie so leicht nachgab, musste es möglich sein, sie aufzubrechen und in den Rumpf zu gelangen.
    Das Beil! Vielleicht konnte er mit dem Beil ein Loch in die Hülle hacken. Rasch zog er es aus der Schlaufe an seinem Gürtel, holte aus und ließ es auf die Stelle niedersausen, die seine Faust so leicht eingedrückt hatte.
    Das Beil schnitt durch das Blech wie ein Messer durch Butter. Unglaublich!, dachte Brian. Mit drei Schlägen hatte er ein Loch aufgehackt, durch das er die Hand stecken konnte. Dahinter sah er vier Kabelstränge – wahrscheinlich die Drähte, die vom Cockpit zu den Ruderklappen am Heck führten. Fieberhaft arbeitend versuchte er die Öffnung zu vergrößern. Als er aber das Aluminium beiseitebiegen wollte, glitt ihm das Beil aus der Hand. Fassungslos sah er es zwischen seinen Füßen im Wasser versinken.
    Er verstand nicht, wie das passieren konnte. In all dieser Zeit, bei seinem Kampf ums Überleben, war das Beil sein wichtigster Helfer gewesen. Er hatte es immer bei sich getragen. Ohne das Beil hätte er nichts: kein Feuer, keine Werkzeuge, keine Waffen für die Jagd. Ohne das Beil war er nichts. Und er hatte das Beil verloren – sich selbst verloren.
    Er hatte es fallen lassen.
    »Urrrgh!« Es war ein erstickter Schrei, mit dem seine Wut über die eigene Achtlosigkeit sich Luft machte. Das Loch im Flugzeugrumpf war immer noch zu klein, um hindurchzuschlüpfen, und jetzt hatte er kein Werkzeug mehr, um es zu erweitern.
    So etwas wäre mir früher passiert, sprach er zu dem See, zum Himmel, zu den Bäumen am Ufer. Bevor Brian hier in der Wildnis ein neuer Mensch wurde, hätte ihm solch ein Missgeschick passieren können. Aber jetzt doch nicht mehr …
    Und doch war es geschehen. Einen endlosen Augenblick kauerte Brian auf seinem Floß und bedauerte sich selbst, seine eigene Dummheit. Selbstmitleid half aber auch diesmal nicht und Brian wusste, dass ihm nur noch ein Weg offenstand. Er musste das Beil wieder heraufholen. Er musste hinuntertauchen und es vom Grund heraufholen.
    Damals, im Schwimmbecken der Schule, hatte er mit Leichtigkeit bis auf den Grund tauchen können. Das waren – wenn Brian sich richtig erinnerte – mindestens dreieinhalb Meter gewesen.
    Hier aber war es unmöglich, die genaue Wassertiefe abzuschätzen. Der Bug des Flugzeugs, belastet durch das Gewicht des Motors, lag zweifellos auf dem Grund, während das Heck im schiefen Winkel nach oben ragte. Also konnte das Wasser nicht tiefer sein, als das Flugzeug lang war.
    Brian atmete ein paarmal tief durch, dann ließ er sich vornüberfallen und tauchte hinab. Er machte Schwimmbewegungen mit den Armen und stieß sich mit
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