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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Gary Paulsen
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Aluminiumhülle mit dem Beil zu bearbeiten. In großen Dreiecken hackte und schnitt er das schimmernde Metall heraus, knickte die Stücke ab und warf sie aufs Floß. Nie wieder etwas wegwerfen!, hatte Brian sich geschworen. Vielleicht konnte er das Blech später einmal verwenden, als Angelhaken, Pfeilspitzen oder Köder.
    Und endlich hatte Brian es geschafft. Aus der Seitenverkleidung und dem Dach der Kabine, soweit sie aus dem Wasser ragten, hatte er eine Öffnung herausgerissen, groß genug für ihn, sich hindurchzuwinden. Auch unter Wasser hatte er ein paar Handbreit das Blech abgetragen. Noch aber versperrte ihm ein Gewirr von Stahlrohren, Streben und Kabeln den Weg. Mit ein paar kräftigen Beilhieben schuf er sich einen Durchgang und jetzt lag der Weg ins Innere der Kabine frei.
    Brian zögerte einen Moment. Es war unheimlich, in das Wrack einzusteigen, das so lange am Grunde des Sees gelegen hatte. Wie aber, wenn das Heck wieder in die Tiefe sank? Dann war Brian gefangen. Ein schrecklicher Gedanke! Andererseits, so überlegte er, lag das Flugzeugwrack schon seit zwei Tagen in dieser Stellung, in die der Sturm es geworfen hatte. Und Brian hatte daran herumgewerkelt, er war sogar darauf herumgeklettert – und trotzdem war es nicht untergegangen. Es lag offenbar ziemlich fest auf dem Grund.
    Mit einem Ruck schob sich Brian durch das Netz verbogener Streben und abgeschnittener Kabel. Dann stand er im Innenraum des gefluteten Wracks – den Kopf über Wasser und mit den Füßen auf den abschüssig geneigten Bodenplatten. Ein Zurückweichen war jetzt nicht mehr möglich. Brian holte noch einmal Luft, ließ sich ins Wasser hinabgleiten und tastete mit den nackten Füßen nach einem Stück Stoff oder Plastikgewebe dort unten. Aber er fühlte nichts, bis auf die glitschigen Bodenplatten.
    Enttäuscht tauchte er auf, tat ein paar ruhige Atemzüge und stieß sich noch einmal unter Wasser. Diesmal tastete er mit den Beinen noch weiter hinab, fast bis unter die Sitze im Cockpit – und dort endlich stieß sein Fuß auf etwas Weiches, das sich wie Stoff oder Leinwand anfühlte.
    Noch einmal musste Brian hinauf, noch einmal Luft holen, noch einmal musste er sich am Rohrgestänge nach unten ziehen, die Füße weit vorgestreckt – und diesmal war er ganz sicher, dass seine nackten Zehen an einen Sack aus Nylongewebe stießen. Er glaubte sogar durch den Stoff einen harten Gegenstand zu spüren.
    Das musste das Notpaket sein! Wahrscheinlich war es durch die Wucht des Absturzes nach vorne geschleudert worden, unter den Sitz des Piloten, und hing dort eingeklemmt. Brian stieß und zerrte daran mit dem Fuß, aber vergeblich. Schon wurde die Atemluft in der Lunge knapp und er musste wieder nach oben.
    So kurz vor dem Ziel konnte Brian nicht aufgeben. Nach einem tiefen Atemzug tauchte er wieder ein, diesmal den Kopf voran, und nach drei Schwimmstößen unter Wasser umklammerte seine Hand das Nylontuch. Es war das Überlebenspaket. Er riss und zerrte daran, um es aus seiner Blockierung zu lockern. Endlich spürte Brian den Widerstand nachgeben. Sein Herz schlug schneller, als der Sack mit den kostbaren Überlebensrationen ihm entgegenglitt. Mit einer halben Körperdrehung schickte er sich zum Auftauchen an – als er den Kopf hob und einen Blick in das Cockpit riskierte. Und im Licht, das durch die Seitenfenster hereinströmte, in diesem schummerig grünen Licht unter Wasser, sah er den Kopf des Piloten schweben. Nur war es nicht mehr der Kopf des Piloten.
    Die Fische! Daran hatte Brian überhaupt nicht gedacht. In all den Wochen, die er sich von Fischen ernährt hatte, hatten die Fische natürlich auch ihre Nahrung gesucht. Und die ganze Zeit, beinahe zwei Monate lang, waren sie über die Leiche des Piloten hergefallen und hatten sie blank genagt. Schaurig schwankte der Totenschädel im Wasser, nur noch durch Sehnen und Fasern mit dem Gerippe verbunden.
    Das war zu viel. Brian bäumte sich auf, sein Verstand weigerte sich zu begreifen, was seine Augen sahen, sein Magen drehte sich um und er übergab sich im Wasser. Er würgte und schnappte nach Luft und schluckte Wasser. Viel hätte nicht gefehlt und er wäre ertrunken; wäre zu Tode gekommen, hier bei dem toten Piloten am Grunde des Sees, wo er schon einmal, am ersten Tag, nur mit Glück entkommen war.
    Was ihn lähmte, war die Angst. Eine tiefe, eiskalte Angst vor dem, was er gesehen hatte.
    Mit den Beinen strampelnd und hilflos die Arme reckend, fand er schließlich den Weg
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