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Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Titel: Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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Prolog
    Die Leute erinnern sich an die Winter ihrer Kindheit immer als so schneeweiß wie Zuckerguss auf einem Weihnachtskuchen. Sie erinnern sich an den Weg zur Schule, auf dem sie sich wie in einer eben geschüttelten Schneekugel fühlten. Genauso erscheinen ihnen die längst vergangenen Sommer heißer, sonniger und länger, als sie jemals waren. Die Sonne knipste sich im Mai an   – und zwar mit vollen 950 Watt   – und flackerte nicht mal, bis Ende September die ersten rostroten Blätter von den Bäumen schwebten. Ganz besonders trifft dies auf vier Frauen zu, die sich an einen bestimmten Nachmittag vor fünfundzwanzig Jahren zurückerinnern: Sie stellen sich die Umrisse der Wolken schärfer vor, den Himmel unglaublich blau und die Sonne brausepulver-zitronengelb. Das Gras, auf dem sie in der Erinnerung liegen, ist samtig und keine von ihnen entsinnt sich, je darauf heuschnupfenbedingt geniest zu haben.
    Vollgestopft mit Fleischpastetchen und klumpiger Schulbratensauce, lagen die vier Vierzehnjährigen damals in ihren rot-grauen Schuluniformen auf dem Rasen des Hangs und blickten träge hinauf zum Himmel.
    »Die da sieht wie ein Eichhörnchen aus«, sagte Ven und zeigte auf einen weißen Wolkenbausch.
    »Häh? Wo guckst du denn hin?«, fragte Frankie.
    »Na da!« Ven piekte mit ihrem Finger nach oben. »Das da ist der Schwanz, und das große Runde ist der Kopf.«
    »Ja, stimmt«, sagte Roz. »Jetzt sehe ich, glaub ich, was du meinst, aber sieht das nicht eher wie ein vom Treckerüberfahrenes Eichhörnchen aus? Oh, guckt mal, da ist ein Herz!« Sie seufzte, worauf die anderen drei stöhnten.
    »Steht da zufällig ›Ich liebe Jez Jackson, Roz Lynch‹ drauf?«, kicherte Olive.
    »Kann sein«, murmelte Roz so mürrisch wie sie konnte, und Bilder von Jez Jackson stiegen in ihr auf. Er war drei Jahre älter als sie, wohnte gegenüber, war groß und schlaksig und ignorierte sie vollkommen. Jez war der »Boy from Ipanema« und ließ ihr Herz jedes Mal höher schlagen, wenn sie seine Marc-Bolan-Dauerwelle erblickte.
    »Die da sieht wie eine Wolke aus«, sagte Olive.
    »Wie witzig!«, schnaubte Roz.
    »Nein, ich meine, wie eine richtige Wolke in einem Comic, unten flach und oben fluffig. Habt ihr übrigens gewusst, dass Zeus der Gott der Wolken war?«
    »Oh Mann, wer passt da wohl wieder extra gut in Griechisch auf?«, fragte Frankie und knuffte Olive in die Rippen. »Unsere Streber-Olive-Lyon!«
    »Ja, ist ja gut!«, gackerte Olive.
    »Mich wundert gar nicht, dass sie so gut aufpasst«, sagte Roz. »Habt ihr mal gesehen, wie sie Mr. Metaxas immer in die Augen stiert?«
    »Das ist eine glatte Lüge! Tu ich nicht«, empörte sich Olive, die allerdings zu sehr lachen musste, als dass ihre Freundinnen ihr glaubten   – hätten sie sowieso nicht.
    »Ich wette, du ziehst mal nach Athen, Ol, und heiratest einen Griechen. Dann änderst du deinen Namen in Aphrodite und lebst von Weinblättern. Die stehen in Griechenland auf Blondinen. Für die bist du mindestens ein paar Kamele wert«, sagte Frankie.
    »Im Mittelmeerraum sind Kamele keine Währung«, sagte Roz.
    »Und wenn schon«, konterte Frankie spöttisch, setzte sich auf und warf ihr langes, schwarzes Haar über die Schulter. »Olivä, die-ä schäänste Fruhucht därä Wältä«, äffte sie den eigentlich viel hübscheren griechischen Akzent von Mr. Metaxas nach. »Wie saftäg die Olivä iest   … ääh   … alles in-ä ein-ä Biss.«
    Olive kicherte, wurde rot und versuchte, sich nicht vorzustellen, wie sie mit Mr. Metaxas knutschte. Seine südländisch braune Haut, sein schwarzes Haar und die riesigen braunen Augen hatten Olives jugendliche Hormone mächtig in Wallung gebracht. Oft stellte sie sich beim Einschlafen vor, wie er sie »Olive« nannte, genau wie vor der Klasse. Von allen dämlichen Namen, die ihre Eltern ihr hätten geben können, war Olive mit Abstand der blödeste. Hätten sie doch wenigstens »Olivia« genommen, das klang so viel edler. Aber Olive! So hieß die doofe Kuh in »On the Buses«. Dennoch schaffte Mr. Metaxas es immer wieder, dass sich ihr Name romantisch und schön anhörte.
    »Die da sieht wie ein Schiff aus«, sagte Frankie.
    »Oh ja, stimmt«, gab Roz ihr ausnahmsweise recht. »Gott, wäre ich jetzt gerne auf einem Schiff weit weg! Ich hab noch zwei Stunden Griechisch.«
    »Ich auch.« Olive lächelte verträumt. Abgesehen von ein paar pickligen Langweilerinnen aus dem Jahr über ihnen, die für den Abschluss büffelten, war sie
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