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Frau Holle

Frau Holle

Titel: Frau Holle
Autoren: Jacob Grimm Wilhelm Grimm
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    Eine Witwe hatte zwei Töchter. Eine von ihnen war schön und fleißig, die andere hässlich und faul. Die Mutter hatte aber die hässliche und faule viel lieber, weil es ihre richtige Tochter war. Das andere Mädchen war ihre Stieftochter. Es hörte kein gutes Wort von ihr und musste im Haus alle Arbeit verrichten.
    Jeden Tag schickte die Stiefmutter das arme Mädchen nach draußen. Dort musste es sich an einen Brunnen setzen und Garn spinnen, bis seine Finger bluteten.
    Als die Spule wieder einmal ganz blutig war, bückte es sich hinab in den Brunnen und wollte sie abwaschen.

    Da glitt ihm die Spule aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Die Mutter aber schimpfte es heftig aus. »Wenn du die Spule hast hinunterfallen lassen, dann hol sie auch wieder heraus«, sagte sie unbarmherzig.
    Da ging das Mädchen zu dem Brunnen zurück, weinte und wusste nicht, was es tun sollte. In seiner Angst sprang es schließlich in den Brunnen, um die Spule zu holen. Es verlor das Bewusstsein, und als es erwachte und sich aufrichtete, lag es auf einer schönen Wiese. Die Sonne schien, und ringsum blühten viele Blumen.
    Es ging ein kurzes Stück und kam zu einem Backofen voller Brot. »Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenne ich. Ich bin schon längst ausgebacken«, rief das Brot. Da nahm das Mädchen einen Schieber und zog alles Brot aus dem Ofen.

    Danach ging es weiter und kam zu einem Baum voller Äpfel. »Ach, schüttel mich, schüttel mich, meine Äpfel sind alle reif«, rief der Baum. Da schüttelte das Mädchen den Baum, bis kein Apfel mehr daran hing. Als es alle zu einem Haufen zusammengelegt hatte, ging es weiter.

    Schließlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus schaute eine alte Frau mit großen Zähnen. Das Mädchen bekam Angst und wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach: »Hab keine Angst, liebes Kind! Bleib hier! Wenn du im Haus ordentlich arbeitest, sollst du es gut bei mir haben. Sorge nur dafür, mein Bett gut zu machen und es ordentlich aufzuschütteln. Wenn die Federn fliegen, dann schneit es auf der Welt, denn ich bin die Frau Holle.«
    Weil die alte Frau so freundlich zu ihm sprach, fasste sich das Mädchen ein Herz und willigte ein, bei ihr zu arbeiten. Es machte auch alles gut und schüttelte der Frau Holle das Bett immer ordentlich auf, so dass die Federn wie Schneeflocken umherflogen. Wie versprochen hatte das Mädchen es gut bei ihr. Nie wurde es ausgeschimpft und erhielt jeden Tag gutes Essen.

    So lebte es eine Zeit bei der Frau Holle, da wurde das Mädchen traurig. Anfangs wusste es selbst nicht warum, aber schließlich merkte es, dass es Heimweh hatte. Dabei ging es ihm hier viel besser als bei der Stiefmutter. Trotzdem sehnte es sich nach Hause zurück.

    Da ging das Mädchen zu der Frau Holle und sagte zu ihr: »Ich habe Heimweh bekommen. Obwohl es mir hier unten gutgeht, kann ich trotzdem nicht länger bleiben. Ich will nach Hause.«
    Die Frau Holle sagte: »Es gefällt mir, dass du wieder nach Hause möchtest. Du hast mir treu gedient, deshalb will ich dich selbst wieder hinaufbringen.« Sie nahm das Mädchen an der Hand und führte es zu einem großen Tor.
    Als das Mädchen darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen auf es hinab, und alles Gold blieb an ihm hängen, bis es über und über davon bedeckt war.

    »Du darfst alles behalten, weil du so fleißig gewesen bist«, sagte die Frau Holle und gab ihm auch die Spule wieder, die in den Brunnen gefallen war.
    Danach schloss sich das Tor, und das Mädchen war zurück auf der Welt, nicht weit von seinem Zuhause. Als es dort ankam, saß ein Hahn auf dem Brunnen und rief:
    »Kikeriki,
unser Goldmädchen ist wieder hie.«
    Da ging das Mädchen zu seiner Stiefmutter hinein, und weil es so mit Gold bedeckt war, nahmen es die Stiefmutter und die Schwester freundlich auf. Das Mädchen erzählte alles, was es erlebt hatte.

    Als die Mutter hörte, wie es zu dem großen Reichtum gekommen war, wollte sie der hässlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen. Diese musste sich an den Brunnen setzen und spinnen. Damit ihre Spule blutig wurde, zerstach sie sich die Finger mit einer Nadel und zerkratzte sich die Hände in einer Dornenhecke.
    Dann warf sie die Spule in den Brunnen und sprang hinterher. Wie ihre Stiefschwester gelangte sie auf die schöne Wiese und ging auf demselben Weg weiter. Als sie zu dem Backofen kam, schrie das Brot wieder:
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