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Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Titel: Leander und die Stille der Koje (German Edition)
Autoren: Thomas Breuer
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    Hein Frerich lachte wie jemand, der in seinem Leben noch nichts Lustigeres gesehen hatte, während Günter Wiese tobte und vor dem Gatter zu seiner Weide auf und ab rannte, immer mit Blick auf die Katastrophe, die sich da draußen anbahnte. Und je mehr Wiese tobte, desto ausgelassener lachte Frerich. Der Bauer mit seinem langen grauen Kittel, den er offen über der verdreckten blauen Latzhose und den mistverkrusteten schwarzen Gummistiefeln trug, stützte sich auf eine verbogene Mistgabel und fand daran gerade so viel Halt, dass er nicht vor lauter Lachen umkippte.
    Das war aber auch zu komisch, wie Frerichs bester Zuchtbulle laut brüllend über Wieses nasse Weide stürmte, dicht gefolgt, ja geradezu angetrieben von Frerichs Hofhund. Bei der Bestie handelte es sich um einen wie tollwütig geifernden Mischling aus Rottweiler und Pitbull und sicher noch einem halben Dutzend räudiger Straßenköter. Die wilde Jagd ging mal nach links, mal nach rechts, aber in der Summe immer tiefer in die Fläche hinein, die direkt neben Wieses Naturerlebnisstation Andelhof lag und geradezu das Prunkstück seiner Renaturierungsbemühungen darstellte. Die Viecher hatten das erste, einigermaßen feste Wiesenstück längst hinter sich gelassen und galoppierten nun durch den renaturierten Teil, in dem Gras, Schilf und Binsen von Wasserflächen durchbrochen wurden. Normalerweise dümpelten, gründelten und nisteten hier friedliche Seevögel. Jetzt aber flatterten sie in der Luft durcheinander, aufgescheucht von Rind und Hund und panisch kreischend, weil die tollwütigen Bestien ihren Rast- und Brutplätzen inzwischen bedrohlich nahe kamen.
    So wie sich die Wasserflächen leerten, füllte sich der Himmel darüber von Sekunde zu Sekunde mehr mit schreiendem und wild flatterndem Federvieh, das immer größere Kreise zog und schließlich die Flucht in Richtung Watt antrat. Denn Bulle und Hund stürmten nun auf den sumpfigen Teil der Fläche zu, unermüdlich brüllend und bellend, wobei beide Stimmen schon deutlich heiserer wurden. Und auch bei ihren Besitzern drohte die Lava langsam überzulaufen und der Vulkan zu explodieren.
    »Pfeif deinen scheiß Köter zurück, Frerich!«, brüllte Günter Wiese mit hochrotem Kopf und deutete wild fuchtelnd auf die Kampftöle, die an der ganzen Aktion sichtlich ebenso viel Freude hatte wie ihr Besitzer.
    »Ruf du ihn doch zurück, Wiese«, konterte Frerich so unlogisch wie lachend. »Du bist doch hier der große Naturfreund, der Möwenflüsterer. Auf dich hören die Tiere doch!«
    Bevor Günter Wiese handgreiflich werden konnte, raste ein Streifenwagen der Inselpolizei mit Blaulicht und Martinshorn auf der Zufahrtstraße heran und trieb zu allem Überfluss mit seinem Lärm auch noch die Möwen und Limikolen von den Nachbarwiesen vor sich her. Als Günter Wiese das sah, lenkte er seinen Zorn auf die beiden Polizeibeamten, die nun ihren Wagen direkt neben den Streithähnen mit einer Vollbremsung zum Stehen brachten und sich im Aussteigen ihre Dienstmützen aufsetzten.
    »Seid ihr bescheuert?«, brüllte Wiese die beiden an. »Was macht ihr denn hier für einen Lärm?«
    »Nanana«, entgegnete Polizeimeister Dennis Groth mit drohend erhobenem Zeigefinger und ebensolchen Augenbrauen. »Keine Beamtenbeleidigung, ja? Sehen Sie sich vor!«
    »Was ist denn hier schon wieder los, Hein?«, erkundigte sich Polizeiobermeister Jörn Vedder bei dem Landwirt, der zufrieden auf das Chaos blickte, das sein Hund und sein Bulle da draußen in der Fläche anrichteten. »Ist das dein Rindvieh da hinten?«
    »Jo!«, antwortete Frerich mit Nachdruck nickend, während sich Hund und Bulle jetzt in derart sumpfiges Gelände begaben, dass sie augenblicklich bis zu den Knien einsanken und nur noch mühsam vorwärts stapfen konnten, ohne dabei jedoch in ihrem Lärm nachzulassen.
    »Und wie kommt der dahin, dein Bulle?«
    »Das war so, Jörn«, begann Frerich seinen Bericht. »Wie alle vernünftigen Landwirte, die ihren Hof noch mit ehrlicher Arbeit bewirtschaften und nicht alles absaufen lassen« – sein Blick streifte abschätzig Günter Wiese – »war ich heute Morgen schon früh im Stall und habe ausgemistet. Dabei ist mein Bulle, der Zorro, ausgebüchst. Ich habe natürlich gleich Killer hinterhergeschickt, damit er Zorro zurücktreibt. Aber der Wiese hat ja derart verkommene Weiden, dass die armen Tiere gar nicht mehr herausgefunden haben aus den hohen Binsen.«
    »Eigentlich sollte dein Bulle sich in diesem Gelände
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