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Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Titel: Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
Autoren: Paul J. McAuley
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Epsilon
Eridani.«
    »Nowaja Rosja«, sagte Andrews überrascht. »Das
war es also, was diese Welt beinahe zerstörte.«
    »Ja. Auf die gleiche Weise, wie sie diesen Planeten hier in
Bewegung versetzten, veränderten einige weibliche Neutren den
Orbit eines der Monde, die einen Gasgiganten umkreisten, und
schickten ihn auf Kollisionskurs in Richtung Epsilon Eridani. Ich
wunderte mich schon, warum das Antriebssystem der Arche nicht in
einem Orbit um diesen Planeten hier geparkt war. Jetzt weiß ich
es. Es verschwand mit dem Mond. Er war eigentlich nur ein
unbedeutender Gesteinsbrocken – und das einzige, das der Antrieb
nach Tausenden von Jahren mißbräuchlicher Benutzung noch
von der Stelle bewegen konnte. Doch als er auf Nowaja Rosja traf,
raste er mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durch den Raum.
Der Mond zerstörte nicht den gesamten Planeten, schlug aber auf
ihm ein und vernichtete die Zivilisation, die gerade begonnen hatte,
die Sterne der näheren Umgebung zu erschließen. Sicher
hätte sie sich dadurch bald den Marodeuren verraten und diese
Welt hier gleich mit.
    Die weiblichen Neutren dieser Epoche versuchten, den Genozid zu
verhindern. Es kam zu einem Machtkampf. Sie können sich denken,
wer gewann…«
    Dorthy hielt inne, weil die Weibliche sich rührte.
    Grunzend rollte sie ihren massigen Leib auf die angewinkelten
Knie, stieß sich mit den Armen ab und richtete sich schwankend
auf. Sie war fast doppelt so groß wie die Hüter hinter
ihr.
    »Verdammt!« entfuhr es Andrews, und Dorthy faßte
seine Hand und bedeutete ihm, still zu sein. Er aber schüttelte
sie ab und trat vor. Seine Furcht war geschwunden.
    »Ist das wahr, was Dorthy da erzählt? Ihr habt eine
ganze Welt zerstört, nur um die Existenz von dieser hier
geheimzuhalten?«
    »Lassen Sie mich mit ihr reden«, mahnte Dorthy.
    »Sie und Ihr dämlicher Stolz«, fuhr Andrews sie an.
»Ihr gottverdammtes TALENT kann auch nicht alles!«
    »Das alles geschah doch schon vor so langer Zeit«, sagte
Dorthy zu der Weiblichen. »Warum quält Sie das immer
noch?«
    »Weil ich viele Wesen bin, nicht nur eins, und daher viele
Erinnerungen habe. Als sich diese neue Zivilisation so nahe bei
unserem Versteck einnistete, erinnerten wir uns wieder daran, wie
schwer diese Welt hier von einigen wenigen Asteroiden in
Mitleidenschaft gezogen wurde, nachdem unsere rebellischen Schwestern
die Arche gestohlen hatten. Damals mußten wir sämtliche
näheren Systeme abgrasen, um all das Leben zu ersetzen, das wir
mit hierhergebracht hatten. Ja, daran erinnerten wir uns, als die
neue Zivilisation entdeckt wurde. Wir waren zu diesem Zeitpunkt die
ältesten unserer Art, und nur wir konnten uns daran erinnern.
Nur wir wußten, was zu tun war. Einige unserer Schwestern
verstanden es nicht und stellten sich gegen uns. Sie sind gegangen,
schon so lange. Selbst die unserer Geschwister, die uns geholfen
haben, sind gegangen. Nur wir sind noch übrig. Nur wir erinnern
uns noch.«
    Dorthy erkannte, wie alt und hinfällig die Weibliche war, wie
einsam und allein, des Lebens müde. Die Familien der anderen
weiblichen Neutren, die beim Genozid halfen, waren seit langem
ausgestorben; die, die sich widersetzten, hatte man vernichtet. Nur
diese Weibliche hier war übrig und stand immer noch unter dem
Zwang, die Hüter zu beschützen. Dieser Instinkt, der sie
zum Völkermord getrieben hatte und sie fast unter ihren
Schuldgefühlen zerbrechen ließ, dieser Instinkt hatte sie
auch durch die Jahrtausende erhalten… bis eben die Menschen
aufgetaucht waren. Die Weibliche war nicht in der Lage, ihr Handeln
von damals zu wiederholen, sah aber in der Ankunft der Menschen die
Möglichkeit, endlich Ruhe zu finden, ihre Schuld mit ihrem Tod
zu sühnen – diese Kollektivschuld ihrer Vorfahren.
Daß dieses Ende gleichzeitig auch das Ende ihrer Familie
bedeutete, war das Paradoxon, das Dorthy im tiefsten Innern des
Neutrums verankert gefunden hatte, der Drehpunkt, über den sich
seine Meinung vielleicht noch ändern ließ.
    »Wollen Sie Ihre Schuld loswerden, indem Sie Ihre Familie
opfern?« fragte sie. »Ihre Familie weiß doch nichts
davon. Wie könnte sie? Sie selbst erzählten uns von ihrer
Unschuld, von ihrer Unwissenheit. Warum also sollten sie alle
sterben?«
    Das weibliche Neutrum antwortete nicht. Immer noch starrte sie
Dorthy in die Augen. Aber der Übersetzer warf den Kopf hoch,
winselte laut und krallte die Klauen seiner Hände so tief in die
Hautkapuze, daß Blut herausrann. Auch die
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