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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman
Autoren: Heyne
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Das Flüstern raubte ihr alle Kraft und die eigenen Gedanken.
    »Kommen Sie, ich helfe Ihnen.«
    Sie sah ein Gesicht mit einer kleinen Narbe unter dem linken Auge und einem dünnlippigen Mund, fühlte sich von starken Armen erfasst, die verhinderten, dass sie zu Boden sank. Andere Stimmen erklangen in der Nähe, begleitet von den Geräuschen einer Stadt, an deren Namen sie sich nicht mehr erinnerte. Sie hatte sogar ihren eigenen Namen vergessen und wusste nur noch, dass er aus sinnlosen Silben bestand. Das Flüstern benutzte eine andere, viel ältere Sprache.
    Der Mann - war es nur einer? - führte sie in eine Gasse. Es kümmerte sie nicht, was mit ihr geschah; sie wünschte sich nur, dem Flüstern zu entkommen. Das Gesicht des Mannes mit der kleinen Narbe erschien vor ihr, und diesmal formten die dünnen Lippen ein Lächeln. Hände strichen ihr über den Körper.
    Aus dem Flüstern wurde ein Donnern, in dem sich die letzten eigenen Gedanken auflösten. Die Frau verlor das Bewusstsein.

    Als sie erwachte, hielt jemand ihre Beine fest, und die Hüften des Mannes mit der Narbe pumpten zwischen ihren Schenkeln. Er stöhnte leise. Irgendwo in der Nähe kicherte jemand.
    Es waren drei, stellte sie fest, ohne dass sie den dritten Mann weiter hinten sah. Er blieb in einer Ecke des dunklen Raums stehen, glaubte sich vielleicht anonym in der Dunkelheit, aber da irrte er sich. Sie sah ihn so deutlich wie im Schein einer Lampe.
    Der Mann auf und in ihr merkte, dass etwas nicht stimmte. Er hob den Kopf, sah sie an und knurrte etwas, das ohne Bedeutung blieb. Sie stieß ihn beiseite, noch während sich das Selbst in ihr festigte, und er landete mit einem verblüfften »He!« auf der Seite. Der zweite Mann, der ihre Beine festhielt, lachte erneut und sah seine Chance gekommen. Er hatte die Hose bereits geöffnet und wollte sich auf sie legen, aber sie rammte ihm wie beiläufig die Faust ins Gesicht. Die Nase brach, und mit einem schmerzerfüllten Jaulen ging der Mann zu Boden. Sie kam auf die Beine und gab ihm einen Tritt, der ihm das Genick brach und das Jaulen abrupt beendete.
    Der innere Übergang war vollzogen. Neugierig blickte sie sich um, voller Freude über die Wiedergeburt.
    »Verdammte Schlampe!«, fluchte der Mann, der eben noch in ihr gewesen war. Halbnackt stand sie vor ihm, sah das wütende Gesicht und lächelte. Hier bot sich die Gelegenheit, etwas mehr Kraft zu bekommen.
    Der Mann wollte sie packen, aber ihre rechte Hand ergriff ihn an der Kehle und hob ihn hoch. Sein Gesicht lief sofort rot an, und er trat mit den Beinen, griff nach ihrer Hand. Sie hörte das Kreischen in seinem Kopf, das Heulen überraschter,
schmerzerfüllter Gedanken, nahm alles in sich auf. Sie hörte auch, wie zwischen ihren Fingern Knorpel mit einem dumpfen Knirschen nachgaben, und als sie noch fester zudrückte, riss die Haut, und Blut quoll aus der Wunde. Die Augen des Mannes traten aus den Höhlen, und die Zunge kam aus dem Mund, dick wie ein Knebel. Sie beobachtete ihn, neigte dabei den Kopf fasziniert von einer Seite zur anderen. Wie schwach diese Geschöpfe waren. Und doch … Ihre Erinnerungen warnten sie davor, sie zu unterschätzen.
    Der Mann starb viel zu schnell, und sie warf seine Leiche achtlos beiseite, wandte sich dem Dritten zu. Langsam setzte sie einen nackten Fuß vor den anderen.
    »Bleib stehen.« Er hielt etwas in den Händen, einen Gegenstand, den sie zu erkennen glaubte. Das Gedächtnis der Frau, in der sie herangereift war, bestätigte: Es war eine Pistole. Sie ging weiter.
    »Du sollst stehen bleiben!« Der Mann, schmächtiger als die beiden anderen, wich zurück, bis er die Wand im Rücken hatte. »Was war das eben, Kung-Fu? Wer bist du, verdammt?«
    Die Pistole in seiner Hand zitterte. Die Frau ging weiter.
    Es knallte, und ein Blitz schleuderte ein Projektil aus dem Lauf. Sie sah das Geschoss mit ihren erweiterten Sinnen, drehte den Körper ein wenig zur Seite und beobachtete, wie die Kugel an ihr vorbeiflog. Einige Meter weiter bohrte sie sich in die Reste eines Schranks; Holzsplitter stoben davon und sanken, von ihrer subjektiven Zeitlupe verlangsamt, zu Boden.
    Der Mann starrte sie an, und sein Zeigefinger krümmte sich erneut um den Abzug. Sie drehte die Pistole in seiner Hand herum, bevor es erneut knallte, und die zweite Kugel traf ihn im Bauch. Das Gesicht verwandelte sich in eine Fratze der
Agonie, als er auf die Knie sank und dann zur Seite kippte. Dies war etwas besser, fand die Frau - das Sterben
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