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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman
Autoren: Heyne
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Drisiano ‹ gehört?«
    »Nicht von dem Wunder«, sagte Sebastian. »Aber der Ort …«
    »Ja, ich weiß. Annas Ferienhaus. Ich habe euch dort einmal besucht, und nach Drisiano sind es nur einige Kilometer.«
    »Smeraldina …«, murmelte Sebastian. Vor dem inneren Auge sah er Reggio, das Meer und Sizilien.
    Wolfgang zeigte noch immer das Foto des Jungen. »Raffaele ist ein Wunderheiler.«
    Sebastian verzog das Gesicht. »Himmel, Wolfgang, du weißt
doch, was ich von dem religiösen Bockmist halte. Hab mich darüber oft genug mit Anna gestritten.«
    »Diesmal scheint wirklich etwas dran zu sein, Bastian. Offenbar ist der Junge tatsächlich imstande, Todkranke zu heilen. Es reisen immer mehr Leute nach Drisiano, die sich von Raffaele kurieren lassen wollen. Im Vatikan hat man inzwischen reagiert und beschlossen, eine richtig große Sache daraus zu machen. In der Nähe des Ortes soll ein Wallfahrtszentrum entstehen, mit allem Drum und Dran.« Wolfgang legte das Foto vor Sebastian auf den Tisch. »Flieg nach Kalabrien, sprich mit den Pilgern, sieh dir die Wunderheilungen an und mach ein Interview mit dem Jungen.«
    »Wie bitte?« Sebastian glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
    »Und wenn du schon einmal dort bist … Rede mit Anna.«
    Sebastian sah ihn groß an. »Sag mal, bist du komplett übergeschnappt?«
    »Du fliegst morgen früh um neun nach Mailand Linate und von dort aus weiter nach Reggio.« Wolfgang fügte dem Foto einen Umschlag hinzu. »Darin findest du das Ticket. Spesen wie üblich.«
    Ärger brodelte in Sebastian. »Ich denke ja gar nicht daran …«, begann er.
    »Oh, das solltest du aber, mein Lieber«, unterbrach ihn Wolfgang. »Und du solltest auch daran denken, dass es kein Angebot ist, sondern eine redaktionelle Anweisung. Man könnte sogar von einem Ultimatum sprechen.« Er stand auf. »Entweder du machst eine ordentliche Arbeit in Italien und reißt dich endlich zusammen, oder …«
    »Oder was?«, fragte Sebastian herausfordernd.
    »Oder du musst dich nach einem anderen Job umsehen. Bei
aller Freundschaft, Bastian: So kann es nicht weitergehen.« Wolfgang trat um den Schreibtisch herum, nahm Foto und Umschlag, drückte Sebastian beides in die Hand und führte ihn zur Tür. »Ich erwarte eine professionelle Reportage von dir«, fügte er in einem versöhnlichen Ton hinzu. »Das mit Raffaele wird wirklich zu einer großen Sache. Die Kirche baut ihn als eine Art Heiligen auf. Und der Witz dabei ist: Von Scharlatanerie kann keine Rede sein; es finden wirklich Wunderheilungen statt. Abgesehen davon … Rede mit Anna. Bring dein Leben in Ordnung.«

7
    Flug 5421, Düsseldorf - Faro, Portugal
    F rankreichs Küste blieb zurück; unter und vor der Boeing erstreckte sich der Atlantik. Tojew saß zurückgelehnt im Kopilotensessel des Cockpits und wirkte entspannt, aber dieser Eindruck täuschte; seit mehr als zehn Minuten wartete er auf seine Gelegenheit.
    Neben ihm überprüfte der fast sechzig Jahre alte Flugkapitän Hansen noch einmal die Instrumente. »Alles in bester Ordnung«, sagte er zufrieden. »Wir sind auf Kurs, und vor uns gibt es keine Turbulenzen. Ich mache meine Runde.« Er löste den Sicherheitsgurt und stand auf. Das war Hansens persönlicher Touch: Bei jedem Flug ging er zu den Passagieren und plauderte ein wenig mit ihnen. Manchmal zeigte er Kindern sogar das Cockpit. Diesmal erwarteten ihn fast zweihundert Urlauber, die sich an der portugiesischen Algarve entspannen wollten. Es waren größtenteils ältere Leute, die keinen Wert auf einen Badeurlaub legten - im September war der Atlantik an Portugals Südküste schon recht kalt.
    Als Hansen durch die Tür des Cockpits gegangen war, zählte Kopilot Tojew bis zehn, beugte sich dann vor, betätigte einen verborgenen Schalter und löste damit Terroristenalarm aus. Es gab drei solche Schalter im Cockpit und insgesamt zwölf an
Bord, gut versteckt und getarnt, und doch leicht erreichbar für das Bordpersonal. Wenn der Terroristenalarm ausgelöst wurde, geschahen vor allem zwei Dinge: Die speziell verstärkte Cockpittür schloss und verriegelte sich; und es wurde ein automatisches Alarmsignal gesendet.
    Es dauerte nicht lange, bis aufgeregte Stimmen aus der Bordsprechanlage kamen. Eine übertönte alle anderen. »Was ist passiert, Michail?«
    Tojew achtete nicht darauf und behielt die Instrumente im Auge. Einige Anzeigen hatten zu blinken begonnen.
    »Hören Sie mich, Michail?«, fragte Hansen.
    Der Kopilot schaltete die Bordsprechanlage
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