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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur
Autoren: Chris Moriarty
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Verschränkung
    ► »Die Quantenmechanik ist sehr beeindruckend. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der Alte nicht würfelt.«
    ALBERT EINSTEIN
     
     
    ► Es mag sein, dass Gott nicht würfelt, aber Sie weiß mit Sicherheit, wie man Karten zählt.
    HANNAH SHARIFI
    S ie schafften Li im Kälteschlaf raus, schockgefrostet, ihr Körper noch grün und blau von letzten Upgrades.
    Hinterher erinnerte sie sich nur bruchstückhaft an den Einsatz. Die Berührung einer Hand. Das Krachen von Gewehrfeuer. Ein Gesicht, das hell aufblitzte wie ein Fisch, der aus dunklem Wasser auftaucht. Aber sie durfte niemandem sagen, woran sie sich erinnerte, sonst hätten die Psychotechniker sofort gemerkt, dass sie ihre eigenen Erinnerungen gehackt hatte.
    Aber das kam später. Nach dem Kriegsgericht. Nachdem die Sprung-Amnesie und die Reha-Tanks ihr alles genommen hatten. Bis dahin waren ihre Erinnerungen noch scharf und klar und unzensiert, gehörten immer noch ihr.
    Schließlich war sie dort gewesen.
     
    Li wusste gleich, dass es auf Metz hoch hergehen würde, als sie den Verbindungsoffizier kennenlernte, den TechComm schickte, um ihre Mannschaft zu instruieren. Zwanzig Minuten, nachdem Hauptmann C. Xavier Soza vom UN-Sicherheitsrat auf dem Planeten gelandet war, hatte er einen anaphylaktischen Schock erlitten. Sie übergab ihn dem Notdienst der Basis und bat ihr Orakel um die Liste seiner nächsten Verwandten.
    Natürlich musste man mit Allergien rechnen, sobald man sich die Uniform anzog. Terraforming war nichts weiter als eine milde Form der biologischen Kriegführung; jeder, der in einer der Treuhandschaften essen, arbeiten oder sich bewegen musste, geriet irgendwann einmal ins Kreuzfeuer.
Allerdings war kein normaler Neomensch derart empfindlich. Diesmal hatte TechComm einen echten, nicht modifizierten und im Ring gezeugten Menschen geschickt. Und kluge junge Menschen ließen sich nicht im Kälteschlaf an die Peripherie schicken und riskierten auch keine Dekohärenz oder ein Versagen der Atemorgane, wenn sie nicht etwas wirklich Wichtiges zu erledigen hatten. Etwas, das die hohen Tiere nicht den KIs oder Kolonisten anvertrauen wollten.
    Soza verbrachte dreißig Stunden in den Tanks, bis er sich soweit erholt hatte, dass er die Mannschaft instruieren konnte. Als er schließlich eintraf, schien er klar im Kopf zu sein, aber er war immer noch etwas kurzatmig und litt unter dem schlimmsten Ausschlag, den Li je gesehen hatte.
    »Major«, sagte er. »Tut mir leid, dass Sie diese kleine Krise bewältigen mussten. So habe ich mir mein erstes Treffen mit der Heldin von Gilead auch nicht vorgestellt.«
    Li zuckte zusammen. Wann würde sie je wieder einen Raum betreten können, ohne dass ihr Ruf ihr zwei Schritte vorauseilte?
    »Halb so schlimm«, sagte sie. »Das passiert auch den Besten von uns.«
    »Ihnen nicht.«
    Sie musterte Sozas hübsches, unverkennbar menschliches Gesicht und versuchte herauszufinden, ob seine Antwort als Beleidigung gemeint war. Sie fand keine Anzeichen dafür; im Gegenteil, als sie ihn anstarrte, ließ er den Blick so schnell sinken, dass sie vermutete, es sei ihm einfach so rausgerutscht, ohne dass er darüber nachgedacht hatte, wie es sich anhörte. Li warf einen Blick in die Runde, sah ihre Leute auf Stühlen hocken, die menschlichen Proportionen entsprachen, hinter Tischen, die für Menschen entworfen waren, und empfand dabei die übliche Mischung aus Erleichterung,
Scham und Neid. Schließlich war es reiner Zufall, dass ihre Vorfahren eine Überfahrt auf einem Konzernschiff gebucht und mit Blut und Gewebe statt mit Credits bezahlt hatten. Reiner Zufall, dass ihr Genom nicht bloß den Zufallsmutationen durch Strahlung und dem Terraforming-Fallout ausgesetzt gewesen war. Ein reiner Zufall, der sie sogar unter den Neomenschen zu einer Außenseiterin machte.
    »Nein«, erwiderte sie schließlich. »Mir nicht.«
     
    Ob Versprecher oder nicht, Soza strahlte eine glatte, kultivierte Selbstsicherheit aus, als er vor ihnen stand und ihnen den Einsatz erläuterte. Seine Uniform saß so, wie es nur bei echter Wolle möglich war, und er sprach ein glattes Diplomatenspanisch, dem auch die beiden jüngsten Rekruten nicht folgen konnten, ohne auf ihren Festspeicher zuzugreifen. Der Inbegriff eines tüchtigen UN-Friedenssoldaten.
    »Unser Zielobjekt befindet sich unter
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