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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel
Autoren: Rose Tremain
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warme Last von Zeit zu Zeit zu verschieben scheint, als wäre es ein zahmer nistender Fasan, den ich in Norfolk aufgezogen habe.
    Meine Perücke ist üppig, glänzend und neu. Und ich führe das Schwert mit mir – etwas, was ich schon eine Weile nicht mehr getan habe, es zieht ständig an meinem Rock, und ich habe Angst, zu stolpern und in die Gosse zu stürzen. Glücklicherweise habe ich auch einen meiner Gehstöcke aus Ebenholz mitgebracht, und mit ihm als Stütze bin ich in der Lage, auf dem Birdcage Walk eine angemessen würdige Erscheinung zu bieten.
    Ich bin auf dem Weg zum König, nachdem ich mir durch einen Boten recht einfach eine Audienz zu verschaffen wusste und von Seiner Majestät eine höchst liebenswürdige kurze Antwort erhielt, die folgendermaßen lautet:
    Ach, mein lieber Merivel,
    Sie glauben nicht, wie sehr es Uns in diesen dunklen und schwierigen Zeiten erheitert, von Ihnen zu hören. Kommen Sie doch um die Mittagszeit in die Gemächer der Herzogin von Portsmouth (Unserer reizenden »Fubbs«), wo Sie Uns grauer und düsterer als bei unserer letzten Begegnung vorfinden werden, jedoch nicht ohne die Freude, Sie zu sehen. Und ich hoffe, dass es uns gelingt, unseren Herzen ein Lachen zu entlocken.
    Charles Rex
    Auf dem Birdcage Walk, so bezeichnet wegen seiner vielen luftigen Vogelkäfige, die am Straßenrand aufgebaut sind, werde ich von einer großen Anzahl Menschen gepufft und gestoßen, die dort in dem breiten Schatten promenieren, den der Whitehall-Palast immer noch auf London, das Herz der Nation, wirft.
    Ich weiß, dass der König, der seiner Parlamente mittlerweile sehr überdrüssig ist und nun ohne sie und absolut regiert, nicht länger so bewundert und verehrt wird wie zu Beginn seiner Regentschaft, als er uns wie ein Gott erschien. Es herrscht in der Tat ein unruhiger – ja, wie ich höre, sogar aufrührerischer Geist in den Kaffeehäusern, und das Land würde es vorziehen, wenn England durch ein Parlament in den Krieg mit dem katholischen Frankreich geführt würde, statt in den königlichen Gemächern eine mit allem Pomp eingesetzte französische Mätresse zu erblicken, jedoch weit und breit kein Parlament. Und dennoch glaube ich, dass es viele Männer (und Frauen) gibt, die immer noch, so wie ich, an einer alten Krankheit leiden, und das ist die Krankheit der Liebe zum König.
    Obgleich John Pearce in seinem Quäker-Hass auf die Monarchie und die Hierarchie des sogenannten Adels, den sie hervorbringt, mich bis zu seinem letzten Atemzug von dieser Krankheit zu heilen suchte und obgleich ich stets bemüht war, die Person zu sein, die er in mir zu sehen wünschte, merke ich doch, dass der Anblick des Königs – oder auch nur der bloße Gedanke an sein Erscheinen in Bidnold – in meinem Herzen eine außerordentliche Freude weckt, die ich nicht unterdrücken kann. Und die ich, wie mir scheint, auch nicht länger zu unterdrücken gedenke. Die Natur des Königs ähnelt sehr der meinen in ihrer Zusammensetzung aus schmachtenden Begierden und missmutiger Hypochondrie, und so trösten wir einander, und dieser Trost wird von uns beiden wohl verstanden.
    Ich setze meinen Weg ohne zu straucheln oder zu stolpern fort, doch mein schweres Schwert macht jedes Mal, wenn es gegen meine Schenkel stößt, ein unangenehm klackendes Geräusch; ich betrete den St. James’ Park und bleibe beim Teich stehen, wo eine Gruppe von Gecken ein Krokodil angafft, das gerade aus dem Wasser steigt.
    » Mon dieu! Mon dieu!«, kreischen die Gecken, zeigen auf das Geschöpf und fassen einander in gespieltem Entsetzen an die Schultern. »Welch ein Vieh! Ach, und stellt euch vor, dieses große Maul öffnete und schlösse sich über dem eigenen Bein!«
    »Oder dem eigenen Rumpf!«
    »Oh, wie entsetzlich! Oder über dem eigenen Gemächt ! «
    Und übermütig hüpfend eilen sie davon, lachen wie Chorknaben, und ihre Schwerter klirren aneinander, und ihre seidenen Strümpfe blitzen in der Sonne, wenn sie die Beine schwingen.
    Ich stehe da und starre auf das Krokodil. Es liegt so gelangweilt im Gras, als fragte es sich, wie es nur hierher nach London gekommen sein mochte, um der Unterhaltung von Gecken und Besuchern aus Norfolk zu dienen, und ich bemerke seine sichtlich sehr dicke Haut, als wäre es schon in der Rüstung geboren und jederzeit zum Krieg bereit.
    Und es kommt mir in den Sinn, dass beinahe jedes Tier auf Erden etwas besitzt, das mir Respekt abverlangt. Selbst eine Maus oder ein Bockkäfer: die Geschmeidigkeit
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