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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte
Autoren: Helmut Schmidt
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Vorrede
    Dieses Buch enthält Erinnerungen und Bewertungen aus dem Umgang mit den drei überragenden Weltmächten Sowjetunion, USA und China. Es ist kein Versuch zu einer Autobiographie, denn politische Selbstbespiegelungen sind mir immer suspekt gewesen. Ihrer Natur nach stellen sie eine Verführung für den Autor dar, sich selbst fehlerlos zu sehen oder sich doch jedenfalls in besserem Lichte erscheinen zu lassen, als es dem späteren Urteil der Geschichte entsprechen kann. Allerdings haben mich Erinnerungen von Politikern wie Künstlern häufig sehr interessiert, sie haben mich zum Denken, zur kritischen Überprüfung, zur Ergänzung oder Korrektur meiner bis dahin gewonnenen Urteile angeregt.
    In den nachfolgenden drei Hauptstücken schildere ich persönliche Eindrücke von Russen, Amerikanern und Chinesen und besonders meine Erfahrungen mit ihren Staatsmännern. Ich versuche, sowohl ihre als auch meine Sicht solcher Probleme darzustellen, die mein Land oder auch mich betrafen und zum Teil noch heute betreffen. Dabei sind in einigen wenigen Fällen Wiederholungen oder eine abermalige Behandlung des Themas unvermeidlich, weil der Gegenstand etwa in Washington und Moskau von gleicher Bedeutung war.
    Vor allem während der Jahre meiner Zugehörigkeit zur Bundesregierung habe ich ein faszinierendes Kaleidoskop menschlicher und politischer Begegnungen erlebt: mit Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Ministern, mit Künstlern und Wissenschaftlern, aber auch mit Menschen, die nie im Rampenlicht gestanden haben. Es wird oft von der Einsamkeit führender Politiker oder Staatslenker geschrieben. Das Wort gibt aber nur die halbe Wahrheit wieder; denn tatsächlich habe ich in meinen Regierungsjahren viel Freundschaft erfahren, und noch häufiger habe ich ernsthafte Partnerschaft erlebt.

    Gegenwärtig vollziehen sich in allen drei Weltmächten große, zum Teil erschütternde Umbrüche. Sie rechtfertigen den Versuch, aus der Sicht deutscher Interessen jene Epochen darzustellen und zu bewerten, die Mitte der achtziger Jahre in Moskau, in Washington und in Beijing an ihr Ende gelangt sind oder zu Ende gehen werden. Es ist durchaus ungewiß, ob die Veränderungen im Inneren der drei Weltmächte tatsächlich auch wesentliche Veränderungen der Welt bringen werden. Die Aussichten auf einen dauerhaft umprägenden Erfolg Gorbatschows erscheinen mir bisher noch ungewiß. Die Aussichten auf vertragliche Rüstungsbegrenzung und vereinbartes Gleichgewicht zwischen Moskau und Washington stehen unter dem deutlichen Vorbehalt des Machtverfalls Reagans und des in kurzer Frist bevorstehenden Endes seines Amtes. Sein Nachfolger wird schwerlich ein welterfahrener Stratege sein; er wird neben unbewältigten außenpolitischen Aufgaben vor allem diejenigen Probleme übernehmen müssen, welche sich aus der ungeheuren Auslandsverschuldung der USA ergeben.
    In Beijing wird die Autorität Deng Xiaopings angesichts seines hohen Lebensalters nicht mehr lange für Stetigkeit des Reformkurses sorgen können. Nicht der ökonomische Riese Japan, sondern die weltwirtschaftlich einstweilen ziemlich unbedeutende Volksrepublik China wird weltpolitisch immer stärker ins Gewicht fallen – aber ihr zukünftiger Kurs ist nicht eindeutig zu erkennen. Wer die Chancen der Zukunft abschätzen will, der muß die Faktoren kennen, welche die Gegenwart bestimmen; ob und wieweit sie in die Zukunft hineinwirken, kann er freilich nur ahnen.
    Ich beanspruche nicht, eine Art selbsterlebter Weltgeschichte meiner Zeit zu liefern. Vielmehr möchte ich etwas von dem weitergeben, was ich von ausländischen Gesprächspartnern gelernt oder verstanden zu haben glaube. Ich stütze mich dabei nicht auf amtliche Akten oder auf (inzwischen geöffnete) Archive, auch nicht auf Publikationen meiner Gesprächspartner. Ich bin kein Historiker. Die hier geschilderten Dialoge und Analysen beruhen auf erhalten gebliebenen eigenen Notizen. Sie wollen kein objektives Geschichtsbild ausbreiten, sondern vielmehr die Eindrücke, von denen ich ausging
oder glaubte ausgehen zu sollen, und ebenso die Eindrücke und Urteile, zu denen ich gelangte.
    Meine Subjektivität zu verleugnen oder meine deutsche und meine sozialdemokratische Identität zu verdrängen, wäre unnatürlich. Dies ist der persönlich bestimmte Bericht eines Mannes, der am Ende des Ersten Weltkrieges geboren wurde, der als Jugendlicher – seines Elternhauses wegen – kein Nazi geworden ist, der gleichwohl als wehrpflichtiger
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