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Saupech (German Edition)

Saupech (German Edition)

Titel: Saupech (German Edition)
Autoren: Veronika A. Grager
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    »Sind Sie sicher, dass niemand mehr im Bus ist?«
    »Absolut!« Der resolute Mittdreißiger starrte Agnes an, als hätte sie nicht alle Tassen im Schrank. »Sie können sich ja selbst überzeugen, wenn Sie mir nicht glauben.«
    »Aber meine Tante ist heute bei Ihnen mitgefahren, und sie ist nicht zurückgekommen. Können Sie mir das erklären?«
    »Vielleicht ist sie woanders ausgestiegen?« Er lächelte nachsichtig.
    »Sicher nicht! Tante Leni ist vielleicht alt und ein wenig gehbehindert, aber nicht blöd. Ich habe sie hier in den Bus gesetzt, und sie wusste, dass ich sie hier wieder abhole.«
    »Tja«, der Mann zuckte die Achseln, »dann weiß ich auch nicht.«
    »Na hören Sie mal, Sie sollten es aber wissen! Oder ist es normal, dass Ihnen unterwegs Ihre Passagiere abhandenkommen?«
    »Sind S’ vorsichtig mit Ihren Anschuldigungen. Wer weiß schon, was der alten Dame eingefallen ist.«
    So wie er Agnes ansah, meinte er »der alten Kuh«.
    »Zählen Sie Ihre Fahrgäste nicht ab, bevor Sie weiterfahren?«
    »Normalerweise schon. Aber manchmal frage ich auch nur, ob jeder seinen Nachbarn wiederhat.« Er klang beleidigt.
    Verantwortungslos, ja, das war er. Oder leichtsinnig. Agnes schluckte.
    Ein paar der anderen alten Leute, die an der Fahrt zu einer der letzten Pechereien Mitteleuropas in Hernstein im südlichen Niederösterreich teilgenommen hatten, waren neugierig stehen geblieben, als sie merkten, dass sich hier eine Auseinandersetzung anbahnte.
    Agnes wandte sich an die anderen Passagiere.
    »Hat jemand von Ihnen auf der Heimfahrt Frau Dürauer gesehen? Die Dame, die ich am Morgen hier abgesetzt habe?«
    Einige schüttelten den Kopf, andere schienen nun doch lieber nach Hause zu gehen, als in eine Sache hineingezogen zu werden, mit der sie nichts zu tun hatten.
    »Sie!«, sprach Agnes eine Frau an, die sich eben schnellen Schrittes entfernen wollte. »Wann haben Sie meine Tante zum letzten Mal gesehen?«
    »Junge Frau, ich kenn Ihre Tante gar nicht. Ich muss jetzt heim.«
    Agnes war frustriert. Keiner wusste, wo Tante Leni abgeblieben war. Keiner wollte sie gesehen haben.
    »Vielleicht ist sie noch beim Heurigen, wo wir zum Schluss waren, und hat den Bus versäumt«, setzte der Reiseleiter jetzt noch einen drauf.
    »Hören Sie. Wie ich schon sagte, meine Tante ist nicht blöd. Sie hat ein Handy. Wenn sie irgendwo auf der Strecke gestrandet wäre, dann hätte sie mich angerufen. Es muss etwas passiert sein.« Agnes reichte es. »Ich rufe jetzt die Polizei.«
    Das war dem Mann von Harrys Busreisen nun doch höchst unangenehm. Ein Teil seines großspurigen Verhaltens bröckelte.
    »Können Sie nicht bis morgen warten? Vielleicht klärt sich alles von alleine auf.«
    »Und wie? Wenn meine Tante nicht tot oder schwer verletzt irgendwo liegt, dann hätte sie sich schon gemeldet. Und wenn sie wer weiß wo da draußen ist, wo Sie heute mit Ihrem Reisebus waren, dann sollten wir sie schnellstens finden. Oder meinen Sie, eine Nacht im Freien bei Temperaturen von knapp über null sei der Gesundheit einer achtzigjährigen Dame besonders zuträglich?«
    Agnes konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme leicht hysterisch klang. Aber das war ihr mittlerweile auch egal. Tatsache war, dieser windige Typ von Reiseveranstalter hatte keine Ahnung, wo ihre Tante abgeblieben war. Er konnte nicht einmal sagen, ob sie beim zweiten Halt, dem Mittagessen in einem Landgasthof nahe dem Pechermuseum, überhaupt noch dabei gewesen war. Und wie es schien, war es ihm auch herzlich egal. Für ihn war sie eine unzurechnungsfähige Alte. Und ihre Nichte vermutlich eine hysterische Nocken.
    Agnes wählte den Polizeinotruf. Die Dame am Telefon versprach, die nächste verfügbare Funkstreife vorbeizuschicken.
    »Das kann aber dauern. Heut Nacht ist viel los.«
    Die Beamten befragten den Buschauffeur, den Reiseleiter und die wenigen Fahrgäste, die noch geblieben waren, um sich die interessante Entwicklung nicht entgehen zu lassen. Doch es kam nicht mehr heraus als bei Agnes. Eigentlich hatten alle, die sich überhaupt an sie erinnern konnten, Leni Dürauer das letzte Mal gesehen, als sie auf dem Pecherlehrpfad in Richtung Pecherkapelle unterwegs waren. Das war der erste Halt gewesen. Was nicht unbedingt heißen musste, dass sie dort abhandengekommen war. Leni Dürauer war eine bescheidene und unaufdringliche Person.
    Die Beamten verlangten von dem arroganten Reiseleiterschnösel eine Liste mit den Namen der Teilnehmer, die der nicht vorlegen
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