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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel
Autoren: Rose Tremain
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zwei Rücken gemacht hatten und wie uns sein Vater einmal, vor sehr langer Zeit, mitten in diesem Spiel überraschte und sein armes Gesicht vor Scham hinter dem Bettvorhang versteckte, und im Nu erschien ein Lächeln auf Sir Roberts Gesicht, doch dann sagte er: »Ich bin müde, Mrs. Pierpoint. Ich kann weder mein Herz noch meinen Körper dazu bringen, irgendetwas zu machen – auch wenn ich weiß, dass mein Leben in der Schweiz ein leichtes Leben sein wird.«
    Und was konnte ich schon sagen, um ihm zu widersprechen, denn hatte ich mich nicht selbst an eben diesem Morgen zu meinen Feuern schleppen müssen, und hatte ich nicht, als ich in den kalten Fluss hinunterblickte, für einen Augenblick meinen seligen Gatten beneidet, der dort vor vielen Jahren ertrank, als er versuchte, einen Schellfisch aus dem aufgewühlten Wasser zu holen, und der jetzt, von Engelsflügeln bedeckt, schläft und seine Armut und all seine Kümmernisse vergessen hat, während ich mich hier weiter in der Märzkälte abrackere?
    Drum sage ich also – und ich schreibe auch das gerne auf, weil ich geschworen habe, ehrlich in diesem Dokument zu sein –: »Sollen wir dennoch weiter das machen, was wir immer gemacht haben, mein feiner Herr, und ein wenig das Tier spielen? Die Tür ist verschlossen und verriegelt, und auch wenn wir trauern, so leben wir doch noch.«
    Und Sir Robert nahm meine Hand und küsste sie und sagte zu mir: »Süße Rosie, lass mich ruhen. Mein Kopf ist wund, und mein Fuß ist geschwollen. Lass mich, ich mag mich nicht bewegen …«
    Ich sagte, in meinem Bett würde es bequemer sein als aufeinem Wäscheberg, und »außerdem sind die Kleider unter Euch nicht nur zerfleddert und zerrissen, Sir Rob, sie stinken auch, wo doch der Geldmangel der Leute den Abstand zwischen ihren Gängen zu meinem Waschhaus immer größer macht. Sie tragen ein Hemd Tage und Wochen und decken ein Tischtuch, auch wenn es fleckig ist, immer noch einmal auf. Riecht Ihr nicht den Gestank von Schweiß und Dreck und Soße?«
    Er lächelte und sagte: »Der Gestank der Welt hat mich nie gestört. Selbst in Cambridge nicht, als ich Leichen sezierte … Selbst der sterbende König nicht … Selbst, als wir Will aus der Armengrube holten, nicht … Ein Arzt muss lernen, scheußliche Luft zu atmen, fertig, aus.«
    »Und trotzdem«, sagte ich. »Lasst mich mein Bett machen. Ich werde es Euch richten. Und wenn es Euer Wunsch ist, nur zu schlafen, dann schlaft, und ich werde die Hüterin Eurer Träume sein.«
    Ich rührte meine Kupferkessel um und schüttete etwas Lauge hinein, und dann ließ ich Sir Robert auf dem Wäscheberg sitzen, die Weinflasche in der Hand, und ich sah, wie er seine Perücke abnahm und fortschleuderte, und dann legte er sein Haupt auf den Berg und schloss die Augen.
    Ich breitete eine saubere Überdecke über mein Bett und schüttelte die Kissen auf und leerte meinen Pisspott in den Fluss und schloss mein kleines Fenster. Als Nächstes zog ich meine Unterhosen aus, für den Fall, dass wir zum Liebemachen kämen, denn ich dachte daran, wie es Sir Rob immer erregte, wenn er merkte, dass ich unter meinen Unterröcken nackt war, und wie er dann seine Hand dahin legte und mich berührte. Und ich dachte bei mir, dass von all den Männern, die ich gekannt hatte, mein guter Sir Robert der verwegenste Liebhaber gewesen war und auch der aufmerksamste, und ich dachte an die »ehrbare« Frau in der Schweiz, die seine Gemahlin werden würde, und ich beneidete sie und ihr schönes Leben, das sie haben würde.
    Schließlich kehrte ich in den Waschraum zurück, der jetzt vom Dampf etwas neblig war, und ging durch die Dunstschwaden zu dem Wäschehaufen, wo Sir Robert lag.
    Ich kniete mich neben ihn. Er lag sehr still und schlief, und die Flasche war ihm auf die Brust gefallen, und Wein war ihm über die Weste gelaufen.
    Ich mochte ihn nur ungern wecken, denn alle Zeichen hatten mir verraten, dass er müde war, aber, Gott verzeih mir, ich wollte ihn in meinem Bett haben, damit er mich tröstete gegen all das Sterben, das in der Londoner Luft lag, also nahm ich die Flasche weg und berührte sein Gesicht und sagte seinen Namen. Er öffnete die Augen und blickte mich an, aber sein Blick war leer, als könnte er mich nicht sehen und wüsste nicht, wo er war.
    »Sir Rob«, flüsterte ich, »lasst mich Euch helfen. Versucht, Euch ein wenig zu bewegen, und dann gehen wir in mein Zimmer und legen uns beide hin und vergessen die traurigen Zeiten, die über uns gekommen
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