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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel
Autoren: Rose Tremain
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ich lächeln.
    Ich las weiter und kam zu den von mir so genannten »Fünf Anfängen« meines Lebens, und ich war sehr erstaunt über so viel Hast und Torheit und Irrsinn meines jüngeren Ichs. Tatsächlich nahm das Buch meine Aufmerksamkeit so sehr gefangen, dass ich erst aufblickte, als das Licht um mich herum plötzlich zu seinem großartigen Übergang in das tiefe Rot der aufgehenden Sonne ansetzte. Ich blickte hinaus in den Himmel. Einen Moment lang glaubte ich mich in einem Feuerkessel.

EPILOG
Eidesstattliche Aussage von
Mrs. R. Pierpoint, niedergelegt
in ihrer Wäscherei am achtzehnten Tag
des Märzes im Jahr 1685

Ich schreibe diese Dinge hier nieder, die, das schwöre ich bei allen Fischen im Fluss, die Wahrheit sind, so wie sie zu mir kam am Morgen des 18. März 1685, dem Jahr, in dem der König starb.
    Der Tag war kühl. Ich hatte meine Feuer geschürt und eine gute Menge Laken und Unterkleider zum Kochen aufgesetzt, und ich hielt gerade meine Arme an die Kupferkessel und wärmte mich, als meine Tür zur Straße aufging, und herein kam mein alter, lieber Freund Sir Robert Merivel. Und als ich ihn sah, lief ich zu ihm und rief: »Oh, Sir Rob, nehmt Rosie in Eure Arme, denn Ihr ist schrecklich kalt!«
    Und so umarmten wir einander und seufzten miteinander, und ich klagte wie folgt: »Der König ist tot! Und es ist eine Schande, eine himmelschreiende Schande für England und für uns, die wir ihn liebten, und für all die viele weiße Kavaliersspitze, die das Wäschereigewerbe ernährt hat.«
    Und Sir Robert streicht mir zärtlich übers Haar und küsst meine Wange, aber er kann nicht sprechen, weil er schier in Tränen erstickt.
    Und so führte ich ihn zu meinen brodelnden Kesseln, um ihn zu wärmen, und gab ihm ein frisch gebügeltes Taschentuch, und er sagt zu mir: »Wessen Taschentuch ist das?«
    Und ich sage: »Das spielt keine Rolle. Denn jetzt ist es Euers, und was kann irgendwen ein Taschentuch kümmern, wenn der König erst gerade gestorben ist?«
    Er setzt sich auf einen Kleiderstapel, der gewaschen werden soll, darunter ein paar feine Hemden, aber das Meiste ist sehr verschlissen und abgetragen und hängt nur noch an einem dünnen Faden, weil nämlich die Träger in die Mittellosigkeit geraten sind und sich nichts Neues leisten können und mir immer wieder dieselben alten Lumpen bringen.
    Und als Sir Robert sich die Nase geschnäuzt und die Augen gewischt hat, bemerkt auch er es: »Was sind das für Fetzen, die du jetzt waschen musst, Rosie?«
    Und ich sag zu ihm: »Das sind die Fetzen von England. Und all die heilen und schönen Sachen gibt es nicht mehr.«
    Und dann schickte ich Mabel und Marie nach Hause, die Mädchen, die für mich arbeiten, und schloss die Eingangstür und hängte mein Schild auf: Mrs. Pierpoint bedauert, dass die Wäscherei heute geschlossen bleibt. Bringt Eure Kleidung bitte morgen , und ich holte eine Flasche Wein aus meinem Regal, und dann setzte ich mich neben Sir Rob auf die Wäsche und drückte ihn an mich und sagte: »Sollen wir den hier trinken, auch wenn es erst zehn Uhr morgens ist, und die Welt einfach dahinziehen und zum Teufel gehen lassen?«
    Und er legt seinen Kopf an meine Brust und sagt: »Rosie Pierpoint, in meinem Herzen habe ich dich stets sehr geschätzt, und du hast mir mein Leben lang Trost geschenkt.«
    Ich küsse seine Stirn und sage: »Ich werde all die Kapaune und die Sahnekrüge, die Ihr mir mitgebracht habt, nicht vergessen, und auch nicht, wie ich immer die Sahne auf den gebratenen Kapaun gestrichen hab, und nie hat irgendein Vogel besser geschmeckt.«
    Wir begannen, den Wein zu trinken. Und Sir Robert fing an, mir zu erzählen, wie er in die Schweiz fahren und dort Hochzeit mit einer wohlhabenden Dame halten wird, und ich sagte, dass ich mich für ihn freue und auch für die wohlhabende Dame freue, die die Ehefrau von einem so lieben Mann würde, der so gern und viel lacht.
    Und er sagte: »Ach, Rosie, ich höre kein Lachen mehr in mir. Der Schädel tut mir weh. Meine Tochter wird heiraten und damit ein Leben beginnen, das feiner ist als alles, was ich ihr jemals bieten konnte, und sie wird mich nur allzu bald vergessen. Ich habe meinen Diener Will begraben, undEngland hat den König begraben, und all meine Heiterkeit ist dahin.«
    Das konnte ich mir nicht vorstellen: dass Sir Robert Merivel nie mehr lachen würde. Und um ihn aufzumuntern und um sein Lachen wieder zu hören, begann ich, ihn an all die Male zu erinnern, wo wir das Tier mit den
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