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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat
Autoren: David Anthony Durham
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erkennen, dass sie die Augen geschlossen hatten. Ihre Lippen bewegten sich. Sie sprachen. Nein, sie sangen. Sie erfüllten die Luft mit einem komplizierten, melodischen Durcheinander von Worten und Lauten. Ihr Lied hatte eine geradezu körperliche Schwere an sich. Die Töne streiften Leeka wie raue Schlangenhaut. Hin und wieder schwenkte einer der Zauberer bedächtig die Hand durch die Luft, eine langsame Geste, als wollte er den Äther mit den Fingerspitzen betasten.
    Die Mein wichen verwirrt und zögernd zurück. Einige Offiziere versuchten, die Ordnung wiederherzustellen und den Angriff voranzutreiben, doch sie hatten keine Gelegenheit mehr dazu. Im selben Moment griffen die Santoth an. Sie gingen voran, ohne ihr bedächtiges Schreiten aufzugeben, doch sie legten Entfernungen in großen Sätzen und Sprüngen zurück, die schwer zu erfassen waren. Währenddessen riefen sie ihre seltsamen, unverständlichen Worte. Sie schwenkten die Arme wie Wahnsinnige, die gegen unsichtbare Dämonen kämpften.
    Leeka rannte, um mit ihnen Schritt zu halten. Als ein Santoth sich einer Gruppe blonder Soldaten näherte, war der General unmittelbar hinter ihm. Sie waren bereit für ihn, standen breitbeinig da und hielten die Schwerter mit beiden Händen und angewinkelten Armen. Doch mit einer einzigen Handbewegung riss der Santoth zwei Männern die Rüstung, die Kleider und sogar die Haut vom Leib. Die beiden ließen die Schwerter fallen und standen da, ohne etwas zu begreifen. Gesichtsmuskeln, Sehnen und Knorpel waren deutlich zu erkennen. Ihre Bäuche klafften so weit, dass die Eingeweide herausquollen. Ehe sie zusammenbrachen, war der Santoth schon an ihnen vorbeigeeilt und tat dasselbe mit ihren Kameraden.
    Ein anderer Zauberer hieb in die Luft, eine sonderbare Bewegung ohne erkennbaren Gegner. Gleich darauf verflüssigte sich in hundert Schritten Entfernung eine ganze Abteilung Soldaten. Sie verwandelten sich in tausende erbsengroßer Tropfen. Die Tropfen fielen zu Boden, zerplatzten und ließen auf der Erde Pfützen eines roten Regens zurück. Ein anderer Zauberer machte seinem Zorn mit einem gewaltigen Fauchen Luft. Der Luftstrom verbog die Welt vor ihm und pflügte wie ein rollender Felsen eine blutige Schneise in die gegnerischen Reihen.
    In wenigen Augenblicken hatte sich alles geändert. Die Mein flohen in heller Panik. Viele warfen die Waffen weg und rissen sich den Helm vom Kopf. Sie zerrten an ihren Kameraden. Sie trampelten über die Gestürzten hinweg. Außer sich vor Angst, drängten und schoben sie. Ihre Niederlage war nicht mehr abzuwenden. Der Anblick der Zauberer erfüllte sie mit blankem Entsetzen. Und die Santoth folgten, setzten ihnen nach. Dabei wuchs ihre Wut. Sie bewegten sich schneller, machten größere Gesten, brüllten lauter. Sie stampften auf den Boden, der unter ihnen schwankte und barst. Erdschollen kippten empor, als bestünde die Erdkruste aus dünnen Brettern, die von unten her mit Axthieben zerschmettert wurden. Soldaten wurden emporgeschleudert und überschlugen sich in der Luft.
    Leeka murmelte vor sich hin, dass dies alles nicht möglich sein konnte. Es konnte nicht sein. Wieder und wieder leugnete er es. Das hier war nicht möglich, auch wenn es ihm sehr vertraut vorkam. Es erinnerte ihn an die Zeit, als er inmitten des Leichenbergs auf dem Mein-Plateau im Fieber phantasiert hatte. Die Bilder, die ihn damals gequält hatten, hatten große Ähnlichkeit mit denen, die er jetzt um sich herum erblickte. Doch jene Träume hatten nicht der Wirklichkeit entsprochen. Es waren reine Wahngebilde gewesen. Gern hätte er geglaubt, dass auch diese Visionen bloße Einbildung waren. Wenn er seinen Augen trauen konnte, hatte sich die Welt in ein Gemälde auf einer fadenscheinigen Leinwand verwandelt, die mühelos in Fetzen gerissen werden konnte. Gemäß dem, was er sah, konnten Risse durch den Himmel und durch die Erde gehen, und manchmal im Fleisch jener klaffen, die hineingerieten. Die Narben schlossen sich ebenso rasch, wie sie sich bildeten, doch der Anblick und das damit einhergehende Geräusch waren fürchterlich. Und wenn seine Augen ihn nicht trogen, ergoss sich vom Himmel eine schwindende Flut des Grauens. Schlangen, Würmer und Tausendfüßler, so groß wie uralte Pinien, aalartige Ungeheuer aus der Tiefe eines bodenlosen Meeres: Dies alles stürzte auf den Boden nieder. Die Tiere wanden und krümmten sich, schleuderten Soldaten in die Luft und zerquetschten sie. Wenn sie sich umherwälzten,
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