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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat
Autoren: David Anthony Durham
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blieben papierdünn zermalmte Mein an ihren Seiten kleben. Und Leeka wusste, dass seine Augen das Schlimmste gar nicht sahen. Das wahre Grauen, dessen war er sich sicher, fand knapp außerhalb seines Gesichtsfelds statt, und er vermochte es einfach nicht in den Blick zu fassen, ganz gleich, wie heftig er den Kopf nach allen Seiten drehte. Trotzdem erahnte er das ganze Ausmaß des Schreckens nur, zu sehen bekam er es nicht.
    Sein Blick fiel auf einen Santoth, der stillstand und mit offenem Mund sang. Es war Nualo. Leeka ging auf ihn zu. Er näherte sich ihm so weit, wie er es wagte, und verharrte dann keuchend, so erschöpft wie noch nie zuvor in seinem Leben. Es ist schwer für die Lebenden, in der Nähe von Magie zu sein, dachte er. Eine solche Macht -
    Nualo drehte sich um. Es war keine rasche Bewegung, sondern eine langsame Drehung, die scheinbar von seinen Augen ausging, denen der Kopf und der Rest des Körpers folgten. Er musterte das Schlachtfeld hinter ihm. Niemals hatte er sich solche Raserei vorgestellt. In seinen Augen lag eine tobende Eindringlichkeit, die bebte, als spiegele sich all dies Chaos in seinem Innern wieder. Sie brüllten lautlos.
    Verderbt. Eine solche Macht ist verderbt. Er vernahm diese Worte in seinem Kopf und wusste, dass Nualo seinen unausgesprochenen Gedanken vollendet hatte. Wie könnt Ihr hier überleben?
    Als er dem Santoth in die Augen blickte und wusste, was ringsumher alles tobte und riss und brüllte, fand Leeka keine Antwort auf diese Frage. Ihm war, als sei er aus der normalen Ordnung der Welt herausgefallen und sähe all dies von innen und von außen zugleich. Er durfte Zeuge sein, durfte alles durchleben, vermochte jedoch nicht einmal ansatzweise zu erklären, wie und warum das alles sein konnte.
    Später würde er nicht mehr genau wissen, was er eigentlich gesehen hatte. So viel von den Erinnerungen an diesen Tag würde ein wirres Gemenge des Unmöglichen sein. Eins jedoch wusste er mit Gewissheit. Die Macht, die er erblickt hatte, war furchterregend, nicht nur aufgrund der Zerstörungen, die sie anrichtete, sondern weil sie so vollkommen und von Grund auf böse war. Die Absichten dahinter mochten lauter sein. Nualo und die anderen Santoth waren an sich nicht böse. Selbst der Zorn, der sie antrieb, war in der Liebe zur Welt verankert, in der Sehnsucht, wieder an ihr teilzuhaben. Die Macht jedoch, die sie freisetzten, besaß eine ganz eigene brodelnde Bösartigkeit. Wenn die Sprache des Schöpfers in der Vergangenheit eine Sprache der Schöpfung und der Schöpfungsakt ein Liebeslied gewesen war, das mittels Musik die Welt erschaffen hatte, einer Musik, welche den Legenden zufolge das Gewebe des Seins und ein wundervolles, bewahrenswertes Gut darstellte... dann war das, was die Santoth sangen, das genaue Gegenteil. Ihr Lied war ein Feuer, das die Welt verzehrte, ein Hunger, der die Schöpfung verschlang, ohne je gestillt zu werden.
    Verderbtheit , dachte Leeka, reicht als Erklärung bei weitem nicht aus.
    Nualo hatte ihn gewiss gehört, gab aber keine Antwort. Entrüstet, angewidert und ungeduldig wandte er sich ab. Abermals stieß er ein durchdringendes Gebrüll aus, stürmte vor und schlug mit wirbelnden Armen die Welt vor sich in Fetzen.
    Leeka tat, was er mittlerweile für seine Aufgabe hielt. Er rannte hinter Nualo her. Er wollte alles mit ansehen, um später einmal aus eigener Erfahrung bezeugen zu können, warum die Schöpfung sich niemals die Macht des Schöpfers anmaßen sollte.

71

    Es erforderte Corinns volle Konzentration, das allgegenwärtige Blut zu übersehen. Sie bemühte sich, die herumliegenden Leichen, die blutbespritzten Wände und die abgehackten Körperteile nur so weit zu beachten, dass sie ihnen ausweichen konnte. Stattdessen konzentrierte sie sich auf gewöhnliche Gegenstände in einiger Entfernung, auf die Wandgemälde am Ende des Ganges, auf Türrahmen, einzelne Ziegelsteine in den Wänden. Sie hatte vor, sich bald in ihrem Zimmer einzuschließen, bis die Aufräumarbeiten abgeschlossen und alle Spuren des von ihr initiierten Gemetzels von Boden und Wänden getilgt und aus den Stoffen ausgewaschen waren. Sie würde Rialus in die Unterstadt schicken, um die acacischen Bauern, die sich dort zusammendrängten, für diese Aufgabe zu verpflichten. Bezahlen würde sie sie mit Freiheit, mit Privilegien, mit ihrer Liebe und ihrem Dank. Sie würde sie mit neuem Stolz auf das acacische Reich erfüllen. Es gab so viel zu tun, doch diese Dinge mussten noch
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