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0399 - Merlin erwacht

0399 - Merlin erwacht

Titel: 0399 - Merlin erwacht
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Damals…
    Damals hatte Amos einen Fehler begangen, den er bereute wie nichts anderes in seinem Leben. Damals, als die Zeitlose, von manchen auch Morgana leFay genannt, infolge eines Mißverständnisses Merlin in den Kälteschlaf bannte, hatte Amos sie im Zorn erschlagen. Erst später stellte sich heraus, daß nur ihre Magie Merlin wieder hätte befreien können.
    Alle Versuche mit anderen Mitteln der Magie waren gescheitert. Und selbst Sara Moon, die Tochter Merlins und der Zeitlosen, hatte es trotz ihres mütterlichen Magie-Erbteils nicht geschafft. Dabei hatte nicht nur Amos gerade in sie seine größte Hoffnung gesetzt.
    Für ihn, der einst der Fürst der Finsternis gewesen war, ehe er diesen Thron dem Emporkömmling Leonardo deMontagne räumen mußte, ging es um viel. Nicht nur darum, Merlin nicht länger im Zauberbann zu sehen. Es ging ihm um seine persönliche Freiheit, die er damit verloren hatte. Denn Merlin hatte ihn, Sid Amos, zu seinem Nachfolger bestimmt, und dieser Bestimmung konnte Amos sich nicht entziehen. Die Verantwortung, die ihm damit aufgezwungen wurde, band ihn an Caermardhin, die unsichtbare Burg im Süden von Wales. Er war zum Wächter geworden, zum Beobachter, und er konnte Caermardhin nur noch für sehr kurze Zeit verlassen, hatte stets wieder zurückzukehren, so schnell wie möglich. Das schränkte ihn in seiner Handlungs- und Bewegungsfreiheit stark ein, und es gefiel ihm nicht.
    Doch er konnte dieses Amt auch nicht ohne weiteres an einen anderen delegieren. Er war durch Merlins Vermächtnis gebunden. Erst, wenn er selbst in eine ähnlich ausweglose Situation geriet oder starb, konnte er die Verpflichtung an einen anderen weitergeben.
    Wirklich frei wurde er nur, wenn Merlin aus seinem magischen Kälteschlaf geweckt werden konnte. Aber bislang war das nicht gelungen.
    Amos streckte die Hand aus, um den Zeitkokon zu berühren, schreckte aber wieder zurück. Er starrte die verwaschen erkennbare Gestalt an.
    Für Merlin stand die Zeit still. Wenn es gelang, ihn zu wecken, würde zwischen seiner Verbannung und der Befreiung für ihn nicht eine einzige Sekunde vergangen sein. Er würde nahtlos an dem Punkt sein Leben fortsetzen, an dem es gestoppt worden war, als die Zeitlose zuschlug.
    Langsam wandte Amos sich um.
    Die Zeit drängte.
    Eine Gefahr nahte. Er konnte sie nicht definieren. Er wußte nicht, woher sie kam, wie sie sich auswirken würde. Was mochte geschehen?
    Amos konnte nur ahnen, nur fühlen. Und je intensiver dieses Gefühl in ihm wurde, ohne sich begreifen zu lassen, desto mehr wuchs in ihm eine seltsame Furcht. Es mußte etwas geschehen.
    Aber wie?
    Wie konnte Merlin noch erweckt werden, nachdem alle Möglichkeiten vergeblich ausgeschöpft worden waren?
    Amos verließ den Saal des Wissens, in dem sich der Zeitkokon befand.
    Erst draußen auf dem Korridor brachte er es fertig, seine Befürchtungen in Worte zu kleiden, gerade so, als habe er es nicht gewagt, Merlin damit zu belasten – obgleich der nicht in der Lage war, etwas wahrzunehmen.
    »Es wird zu einer Katastrophe kommen…«
    Er erschrak selbst vor seinen Worten, nachdem er sie erstmals ausgesprochen hatte. Eine Katastrophe…
    Aber welcher Art?
    Und wie ließ sie sich verhindern? Gab es nicht vielleicht doch noch einen dritten Weg…?
    Seltsamerweise wünschte er sich, Zamorra wäre hier. Sein einstiger Gegner und jetziger Partner hatte auch in den verzwicktesten Situationen immer einen Ausweg gefunden…
    ***
    Aber Professor Zamorra war weit entfernt. Unerreichbar fern – in zweierlei Hinsicht.
    Er befand sich nicht nur auf der anderen Seite der Erdkugel, in den Anden Perus – sondern auch mehrere Jahrhunderte weit in der Vergangenheit.
    Wie viele es waren, wußte er nicht genau. Aber es mußte die Zeit vor der Hochblüte des Inkareiches sein. Eine Zeit, in der das einst mächtige Imperium erst begann, sich zu bilden.
    Angefangen hatte es damit, daß der Abenteurer Rob Tendyke Nicole und ihn hierhergebeten hatte. Archäologen hatten im Amazonasdschungel eine Inka-Festung mit den Ruinen eines Sonnentempels entdeckt, die dort eigentlich gar nicht hätte stehen dürfen. Sie war viel zu weit abseits der Grenzen des einstigen Reiches. Aber dennoch war die Zuordnung eindeutig; es gab ein Fürstengrab, in dem nebst anderem Gefolge auch ein Priester beigesetzt worden war – eingenäht in eine luftdichte, harte Lederhülle und auf dem Bauch liegend. Unter seinem Leichnam war eine Art Brustschild gefunden worden; eine große
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