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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Autoren: James S. A. Corey
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Manchmal wünschte ich, ich wäre einfach mit euch mitgefahren. Meistens sogar. Aber dann denke ich an das, was ich im Ring erlebt habe, und frage mich, ob es so gut ausgegangen wäre, wenn ich nicht geholfen hätte. Es klingt vielleicht überheblich, wenn ich es so darstelle, aber ich glaube auch, dass Gott die Menschen in die Richtung stößt, in die sie gehen müssen. Vielleicht wurde ich dort gebraucht. Ich habe aber immer noch die Absicht, sehr zerknirscht zu sein, wenn ich zurückkehre. Ich muss mich bei so vielen Menschen entschuldigen – bei dir, beim Bischof und bei Nami, bei meiner Familie.«
    So deutlich, als stünde sie direkt neben ihr, hörte Anna Nonos Antwort: Du bittest lieber um Verzeihung als um Erlaubnis. Sie lachte, bis ihr die Tränen in die Augen traten, wischte sie ab und sagte in die Kamera: »Du bist immer noch da, Nono. Ich denke immer an dich, aber ich würde alles hergeben, wenn du mich jetzt festhalten könntest. Die Prince wird noch einen Monat für die Rückkehr brauchen. Das ist eine Ewigkeit. Ich liebe dich.«
    Sie nahm das Kissen, das sie mitgebracht hatte, und presste es sich an die Brust. »Das seid ihr beiden, du und Nami. Das seid ihr. Ich liebe euch beide so sehr.«
    Sie beendete die Aufzeichnung und schickte sie ab. Mit Lichtgeschwindigkeit eilte sie der Prince voraus. Es war immer noch zu langsam. Noch einmal wischte sie die Tränen weg, die sich in den Augenwinkeln gesammelt hatten.
    Draußen flammte ein weißes Licht auf, aus ihrer Sicht war die Feuerlanze mehrere Zentimeter lang. Ein weiteres Schiff der Flottille kehrte nach Hause zurück. Wenn es so nahe war, musste es sich um ein Begleitschiff der Prince handeln. Endlich flogen sie zurück, auch wenn viele Besatzungsmitglieder, die zum Ring aufgebrochen waren, die Rückreise nicht mehr antreten würden. Familien warteten vergeblich auf ihre geliebten Angehörigen und würden Flaggen, postum verliehene Orden und mitfühlende Botschaften bekommen. Das reichte nicht aus, um die Lücken zu füllen, die diese Menschen in ihrem Leben hinterließen. Es reichte niemals aus.
    Immerhin, die Schiffe von der Erde, vom Mars und von verschiedenen Stationen der äußeren Planeten flogen heim und brachten die Neuigkeit mit, dass sich der Menschheit die größte Gelegenheit aller Zeiten bot. Inmitten all der Trauer und der Tragödien keimte eine neue Hoffnung.
    Würde Nami ihr Leben auf einem dieser Lichtpunkte verbringen, die sie jetzt sehen konnte? Das war durchaus möglich. Ihre Tochter war in einer Welt geboren worden, in der sich die Eltern keine Geschwister für sie leisten konnten, wo sie zwei Jahre arbeiten musste, um der Regierung zu beweisen, dass sie es wert war, Bildungsangebote zu bekommen. Wo die Ressourcen rasch aufgezehrt wurden und die Schlacht gegen den Abfall mehr und mehr von dem verbrauchte, was noch da war.
    Das Kind würde in einer Welt ohne Grenzen aufwachsen. Eine kurze Reise führte die Menschen jetzt zu den Sternen und den vielen Welten, die sie umkreisten. Man konnte sich frei entscheiden, wo man welchen Job übernahm, welche Ausbildung man anstrebte und wie viele Kinder man haben wollte, und musste nicht mehr die Regierung um Erlaubnis fragen.
    Es war ein Gedanke, bei dem ihr schwindlig wurde.
    Hinter ihr betrat jemand mit klickenden Schritten das Aussichtsdeck. »Tilly, ich …«, setzte Anna an und hielt gleich wieder inne, als sie sich umdrehte und Hector Cortez erkannte.
    »Doktor Volovodov.« Es klang ein wenig verlegen.
    »Doktor Cortez«, erwiderte sie. Es kam Anna albern vor, dass sie wieder so förmlich miteinander umgingen, doch Hector bestand darauf. »Setzen Sie sich doch.« Sie klopfte neben sich auf die Bank.
    »Ich hoffe, ich störe Sie nicht.« Er ließ sich nieder und starrte zu den Sternen hinaus. Er sah sie nicht an, er wich ihrem Blick aus.
    »Keineswegs. Ich habe gerade eine Nachricht für meine Familie aufgezeichnet und genieße den Ausblick.«
    Schweigend saßen sie eine Weile da und betrachteten die Sterne.
    »Esteban hat verloren«, sagte Cortez schließlich, als hätten sie schon die ganze Zeit über dieses Thema gesprochen.
    »Ich weiß nicht … oh, der Generalsekretär. Wirklich?«
    »Nancy Gao ist jetzt die neue Generalsekretärin. Da sieht man überdeutlich Chrisjen Avasaralas Handschrift.«
    »Wer ist das denn?«
    Cortez lachte. Es klang aufrichtig, ein schönes lautes Grollen aus dem Bauch. »Oh, sie hätte sich gefreut, Ihre Frage persönlich zu hören.«
    »Wer ist
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