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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Autoren: James S. A. Corey
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zu.
    »Nur um ganz sicherzugehen, wollen Sie immer noch den Kapitän töten? Ich meine, wenn Sie das wollen, sollten Sie uns doch wenigstens vorher warnen.«
    »Ich will es nicht«, antwortete sie.
    »Und wenn doch?«
    »Dann würde ich trotzdem behaupten, dass ich es nicht will. Aber ich will es nicht.«
    »Na gut.«
    »Alex«, rief Holden, der weiter hinten saß. »Sind wir schon da?«
    »Ich wollte gerade anklopfen.« Der Pilot tippte auf das Steuerpult, und auf dem Bildschirm war zu sehen, wie die Außenscheinwerfer der Rosinante aufflammten. In der Schwärze glühte das Schiff golden und silbern, als betrachtete man eine Stadt von oben. »Gut, Leute. Wir sind daheim.«
    Clarissas Kabine war größer als ihr Quartier auf der Cerisier , aber kleiner als das auf der Prince . Sie musste den Raum allerdings mit niemandem teilen. Er gehörte ihr, solange sie ihn bewohnte.
    An Kleidung hatte sie nur einen Overall, auf den der Name Tachi gedruckt war. Ihre Toilettenartikel stammten aus den Vorräten des Schiffs. Nichts davon hatte sie mitgebracht, nichts hatte sie persönlich ausgesucht. Sie blieb in der Kabine und ging nur in die Messe und auf den Lokus, wenn es unbedingt sein musste. Das geschah nicht aus Angst, sondern entsprang eher dem Wunsch, niemandem in die Quere zu kommen. Es war nicht ihr Schiff, sondern das der Crew. Sie gehörte nicht dazu und verdiente es auch nicht. Sie war ein zahlender Passagier, den die Crew eigentlich gar nicht befördern wollte. Das war ihr sehr bewusst, und es belastete sie.
    Mit der Zeit fühlte sich die Kabine mehr und mehr an wie die Zelle auf der Behemoth . Das reichte aus, um sie aus dem Raum zu treiben, wenngleich nicht sehr oft. Sie hatte die Messe schon vorher in Simulationen betrachtet, als sie das Schiff noch hatte zerstören wollen, und wusste, wo man die Überbrückungen einbauen musste. In der Realität sah alles ein wenig anders aus. Nicht kleiner oder größer, nur anders. Die Crew wanderte hin und her, bewegte sich auf dem Schiff mit einer Freiheit, die sie selbst nicht genoss. Sie aßen ihre Mahlzeiten, trafen sich und ignorierten sie wie einen Geist. Als hätte sie ihren Platz in dieser Welt bereits verloren.
    »Also«, sagte Holden aufgebracht. »Wir haben jetzt ein großes Problem. Der Kaffee ist alle.«
    »Wir haben noch Bier«, warf Amos ein.
    »Ja«, antwortete Holden. »Bier ist kein Kaffee. Ich habe eine Anfrage an die Behemoth gerichtet, aber noch keine Antwort bekommen, und ich kann mir nicht vorstellen, ohne Kaffee in die weite, unbekannte Leere aufzubrechen.«
    Alex wandte sich grinsend an Clarissa.
    »Der Kapitän mag den falschen Kaffee nicht, den die Rosinante herstellt. Davon bekommt er Blähungen.«
    Clarissa antwortete nicht. Sie war nicht einmal sicher, ob eine Antwort erwartet wurde.
    »Stimmt gar nicht«, widersprach Holden. »Das ist nur ein einziges Mal passiert.«
    »Mehr als einmal, Kapitän«, beharrte Amos. »Nimm’s nicht persönlich, aber das riecht, als wäre dir ein Eichhörnchen in den Arsch gekrochen und dort gestorben.«
    »Na gut«, entgegnete Holden. »Du bist nicht in der Position, dich zu beklagen. Soweit ich mich erinnere, war ich derjenige, der nach dem Experiment mit Wodkagulasch deine Kabine gereinigt hat.«
    »Da hat er recht«, meinte Alex. »Das war ziemlich fies.«
    »Das hat mir fast den Darm rausgerissen, das ist wahr«, räumte Amos mit philosophischer Gelassenheit ein. »Aber so schlimm wie die Kaffeefürze unseres Kapitäns kann es einfach nicht gewesen sein.«
    Alex tat so, als würgte er heftig, Amos presste die Lippen in die Handfläche und machte ein hässliches Geräusch. Naomi blickte hin und her und wusste nicht, ob sie lachen oder die beiden verprügeln sollte.
    »Ich habe gar keine Blähungen«, behauptete Holden. »Den richtigen Kaffee mag ich einfach lieber.«
    Naomi legte Clarissa eine Hand auf den Unterarm und beugte sich vor. Ihr Lächeln war sanft und kam völlig unerwartet.
    »Habe ich schon erwähnt, wie schön es ist, noch eine weitere Frau auf dem Schiff zu haben?«
    Es war ein Scherz. Clarissa verstand das. Aber es war ein Scherz, der sie einschloss, und sie war selbst überrascht, dass sie deshalb weinen musste.
    »Es freut mich, dass Sie all das über Bull gesagt haben«, ließ sich eine Männerstimme vernehmen. Clarissa, die sich durch das Schiff bewegte, erkannte sie nicht. Eine unbekannte Stimme auf einem Raumschiff erregte die Aufmerksamkeit wie ein seltsames Geräusch im Schlafzimmer. Sie
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