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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Autoren: James S. A. Corey
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hielt inne. »Er war viele Jahre lang mein Freund, und … ich vermisse ihn.«
    Sie drehte sich um und steuerte die anderen Mannschaftskabinen an. Holdens Tür stand offen, er saß auf der Druckliege und blickte auf seinen Monitor. Statt des taktischen Displays mit den Schiffen, den Stationen und den Ringen nahm ein Männergesicht den Bildschirm ein. Sie erkannte Fred Johnson, der die Erde verraten hatte und jetzt die Allianz der Äußeren Planeten anführte. Der Schlächter von der Anderson-Station. Er wirkte alt, die Haare waren beinahe schlohweiß, und die Augen waren gelb wie altes Elfenbein.
    »Ich habe viel von ihm verlangt«, fuhr die Aufzeichnung fort. »Er hat mir viel gegeben. Es … das hat mich nachdenklich gemacht. Kapitän, ich habe die schlechte Angewohnheit, manchmal von den Menschen mehr zu erwarten, als sie geben können. Mehr zu verlangen, als ich gerechterweise erwarten darf. Ich frage mich, ob ich so etwas nicht auch mit Ihnen getan habe.«
    »Ach, wirklich? Du wirst nachdenklich?«, sagte Holden zu dem Bildschirm. Soweit sie es erkennen konnte, zeichnete er es nicht auf.
    »Ich möchte mich entschuldigen, falls ich es getan habe. Das bleibt zwischen uns, von einem Kommandanten zum anderen. Einige Entscheidungen, die ich getroffen habe, bereue ich jetzt. Wahrscheinlich können Sie das gut nachvollziehen. Übrigens habe ich angeordnet, dass die Behemoth an Ort und Stelle bleibt. Wir schicken Mutterboden und Vorräte, um in der Walze Farmen in Betrieb zu nehmen. Damit hat die militärische Flotte der AAP ihren größten Trumpf verloren, aber wie es aussieht, stehen uns nun tausend Planeten zur Erforschung offen, und die einzige Tankstelle an der ganzen Autobahn zu haben ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Wenn Sie und Ihre Crew beim Aufbau helfen und einige Schiffe von Ganymed zum Ring eskortieren wollen, sind vielleicht ein paar Kontrakte für Sie drin. So weit der offizielle Teil. Reden Sie mit den anderen darüber, und sagen Sie mir, wie Sie sich entschieden haben.«
    Fred Johnson nickte noch einmal in die Kamera, dann färbte sich der Schirm blau und zeigte den geteilten Kreis der AAP. Holden sah sich über die Schulter um, er hatte sie bemerkt.
    »Hallo«, sagte sie.
    »Hallo.«
    Sie schwiegen einen Moment. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Gern hätte sie sich ebenfalls entschuldigt und den Weg eingeschlagen, den Fred Johnson vorgezeichnet hatte, aber sie brachte es nicht ganz über sich.
    Sie wartete, ob Holden die Hand ausstreckte. Als er es nicht tat, zog sie sich in die Richtung ihrer Kabine zurück. Im Bauch spürte sie Enge und Unbehagen.
    Sie waren keine Freunde. Sie würden niemals Freunde werden, weil man manche Dinge nicht mehr in Ordnung bringen konnte.
    Damit musste sie sich abfinden.
    Amos roch nach Lösungsmittel und Schweiß. Unter allen Crewmitgliedern war er den Menschen, die sie kannte, am ähnlichsten. Soledad und Stanni. Und Ren. Er kam mit angelegtem Schweißgerät in die Messe. Die Maske hatte er sich über die Stirn hochgeschoben. Als er sie sah, lächelte er.
    »Sie haben hier ganz schön zugelangt«, sagte Amos. Sie wusste, dass er sie auf der Stelle töten würde, wenn sich eine Gelegenheit ergab. Bis dahin würde er jedoch freundlich und umgänglich bleiben. Das war ihr wichtiger, als sie es erwartet hätte. »Ich weiß ja, Sie hatten einen Abbruchmech. Die sind dazu gebaut, Stahlplatten abzuschälen.«
    »Am Ende hatte ich ihn gar nicht mehr«, erwiderte sie. »Mir ist der Strom ausgegangen. Den Schrank in der Luftschleuse habe ich mit bloßen Händen demoliert.«
    »Wirklich?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Tja.« Er nahm einen Beutel mit falschem Kaffee aus der Maschine und schwebte zum Tisch herüber. »Umso beeindruckender.«
    Sie stellte sich vor, wie er arbeitete, die Maske über das Gesicht gezogen, während die Funken flogen und seinen großen gebückten Schatten an die Wand malten. Hephaistos, der Schmied der Götter, arbeitete in der Unterwelt. Solche Assoziationen hätte Clarissa Mao gehabt. Melba Koh hätte nur an die Temperatur der Flamme und die Zusammensetzung der Platten gedacht, die er verschweißte. Jetzt konnte sie beide Gedanken haben, und keiner gehörte wirklich ihr.
    Sie schwebte im Nichts. Später, wenn das Schiff unterwegs war und der Schub sie auf das Deck presste, würde sie immer noch im Nichts schweben. Ihre frühere Welt war aus Geschichten konstruiert gewesen, die ihre Identität definiert hatten. Jules-Pierres Tochter, Julie
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