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Tod im Beginenhaus

Tod im Beginenhaus

Titel: Tod im Beginenhaus
Autoren: Petra Schier
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Prolog
    Die Stadt lag in kaltem Zwielicht. Vom Rheinhafen her zog Nebel auf und durchweichte das Herbstlaub, das sich in den Hauseingängen türmte und die Rinnsteine verstopfte. Die leichte Brise, die der Fluss mit sich zu führen pflegte, reichte heute nicht aus, um den Gestank von Exkrementen und Küchenabfällen zu vertreiben.
    Ein Mann drängte sich an den Hausfrauen vorbei, die die Stände des Fischmarkts umlagerten und zwischen eingelegten Heringen und frischen Forellen die neuesten Nachrichten austauschten.
    Die Kapuze seines braunen Mantels gegen die Kälte hochgeschlagen, strebte er dem anderen Ende des Platzes zu. An seinem Gürtel hing ein verschnürtes Päckchen, das ein hölzernes Kästchen mit Messingscharnieren und einer silbernen Schließe enthielt. Bei jedem Schritt stieß es klackernd gegen seinen Dolch.
    Angewidert verzog er beim Anblick der Bettler vor der Kirche Groß St. Martin das Gesicht. Ein Ärgernis, wenn auch ein vom Stadtrat genehmigtes.
    Er musste seinen Schritt verlangsamen, um nicht über die am Boden liegenden Krücken einer verkrüppelten Alten zu stolpern.
    Abwehrend schlug er nach aufdringlichen Händen, die an seinem Mantel zupften, besann sich dann aber seiner Christenpflicht und warf ein paar schlecht geprägte Münzen aus seiner Manteltasche in die Menge.
    Das Gerangel und die Dankesrufe, die er damit auslöste, beachtete er schon nicht mehr. Er bog hinter der Kirche ab und eilte durch eine Seitengasse, in der Hühner im Dreck scharrten und ein paar Kinder in sackartigen Kitteln einander mit eisigem Matsch bewarfen.
    Die Kinder starrten ihn an; einer der Jungen warf einen halb verfaulten Kohlstrunk aus dem Rinnstein hinter ihm her, der ihn nur knapp verfehlte. Zu anderer Zeit hätte er ihm dafür eine Tracht Prügel verpasst, doch nun war Wichtigeres zu tun.
    Auf dem Alter Markt priesen Marktschreier frische Eier, gerupfte Enten oder teure Gewürze an. Vor der Kotzbank, auf der die Schlachter ihre Abfälle sammelten, drängten sich Mägde und Tagelöhnerfrauen, die Knochen und Innereien zum halben Preis ergattern wollten. Der Henker reparierte unter der Aufsicht der Marktbüttel eine der Eisenfesseln am Kax, dem städtischen Pranger.
    Der Mann blieb stehen, um ihm zuzusehen und sich zu sammeln. Die wogenden Menschenmassen mussten einen Bogen um ihn machen, weil er den Durchgang zwischen zwei Marktbuden und dem Schragentisch eines Hökers versperrte.
    Als die ersten Unmutsäußerungen und Flüche der Leute zu vernehmen waren, setzte er sich wieder in Bewegung.
    Am Westende des Marktes blieb er wieder stehen. Seine Hand tastete nach dem Päckchen am Gürtel und umfasste es. Gleich würde er es loswerden, es endlich loswerden. Er schüttelte es leicht und bildete sich ein, ein leises Rappeln zu hören, obwohl der Inhalt fest in Wachstuch eingeschlagen war.
    Ihn würde das Unheil nicht treffen. Wohl aber andere,viele andere womöglich. Aber das war nicht wichtig.
    Wichtig war, was es ihm einbringen würde. Ihm und der Stadt.
    Bald war das Nötige getan, wenn er das Päckchen überbracht hatte.
    Er blickte an den Fassaden der Häuser empor, die den Marktplatz säumten: Wohnhäuser, Schenken, Apotheken. Weiter hinten, in der Judengasse, das Rathaus.
    Entschlossen schlug er seine Kapuze zurück, ging mit festen, ausholenden Schritten auf eines der Häuser zu und trat ein.

1
    Eigentlich war es wirklich nicht ihre Aufgabe. Mit finsterer Miene gab Adelina ein weiteres winziges Gewicht in die Waagschale. Das Mischen und Abwiegen der Farben für die Maler oblag ihrem Vater; er war der Apotheker. Doch Albert Merten hatte, wie so oft, bis spät in die Nacht an seinen Versuchen mit der Destille gehockt. Deshalb hatte er sich nach dem Mittagessen für ein Schläfchen in seine Kammer zurückgezogen. Vorsichtig schöpfte Adelina eine kleine Menge des Gemischs aus der Messschale, während gleichzeitig ihre Zungenspitze über die Lippen bis in den Mundwinkel wanderte. Mit einer ungeduldigen Bewegung strich sie sich eine Strähne ihres langen schwarzen Haars hinter das Ohr.
    Vorne am Fenster lagen die Kräuter, aus denen sie für die Gerbersfrau einen Blutreinigungssud bereiten wollte: Kalmus, Seifenkraut und Augentrost. Nur die Faulbaumrinde fehlte. Das Sammelweib hatte keine mitgebracht.
    Erleichtert, dass die Waage endlich das richtige Gewicht anzeigte, füllte Adelina das Farbgemisch in einen Tiegel, den sie sorgsam verschloss.
    Dann wandte sie sich ihren Kräutern zu. Eine Teemischung
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