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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg
Autoren: Elke Sauer
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Buen Camino
     
    E twas nervös bin ich ja, aber auch glücklich: Nun bin ich endlich auf dem Weg! Sieben Jahre sind vergangen, seit ich nach Santiago de Compostela pilgern wollte. Aber dann kam alles ganz anders. Doch jetzt habe ich alle Widerstände überwunden, mein Körper ist fit wie lange nicht mehr, und meiner Familie gingen die Argumente aus. Sie mussten trotz aller Bedenken erkennen, dass diese Pilgerreise mein größter Wunsch ist, dass ich gehen muss.
    Das ist unmöglich, sagten viele Bekannte und Verwandte, du wirst diesen schweren Weg nicht schaffen. Wie viele Kilometer sind das denn?
    Eigentlich achthundert, aber ich gehe ab Burgos, und das sind nur fünfhundert Kilometer.
    Weißt du, wie viele Tage du unterwegs bist, wurde ich gefragt.
    Ja, ich denke etwa vier Wochen.
    Ihre Zweifel blieben. Bei den meisten schwang wohl die Befürchtung mit, ich könnte unterwegs krank werden.
    Nimm wenigstens ein Handy mit, riet meine Schwiegertochter, als sie merkte, dass sie mich von meinem Vorhaben nicht würde abbringen können. Aber ein Handy wollte ich nicht. Die gibt es schließlich erst seit ein paar Jahren, Pilger jedoch waren schon immer unterwegs.
    Wenn ich nicht gleich in den ersten Tagen scheitern wollte, musste mein Rucksack so leicht wie nur irgend möglich sein. Lange dachte ich darüber nach, was ich wirklich brauchte. Welches Teil von zwei möglichen war das leichtere? Allein die regendichte Jacke wog vierhundert Gramm. Das ist sehr viel, aber ich konnte sie nicht entbehren. Dann der Schlafsack, den ich etwas wärmer gewählt hatte. Ebenso wichtig waren Wäsche, Wandersocken, Handtuch und Waschzeug. Salben für Füße und Waden, wenn auch in kleinsten Mengen, aber auch die haben ihr Gewicht. Zum Schlafen nahm ich eine Trainingshose, die auch tagsüber mal meine Jeans ersetzen könnte. Trekkingbluse und Fleecejacke sollten mich auch in kalten Nächten wärmen.
    Ich musste damit rechnen, an Orte zu kommen, in denen es keine Apotheke gibt. Darum nahm ich neben meinen täglichen Medikamenten und Vitamintabletten noch alle möglichen Arzneien mit. Ohne Verpackungen und Gebrauchsanweisungen wog dieses kleine Täschchen schon fünfhundert Gramm. Dazu kamen noch die Unterlagen der Krankenversicherung, auch den letzten Arztbrief musste ich bei mir haben.
    Um das angestrebte Gewicht von sechs Kilogramm einigermaßen zu halten, entschied ich mich gegen ein Paar Ersatzschuhe und nahm stattdessen nur ganz leichte Badelatschen. Der einzige Luxus, den ich mir erlaubte, war ein Fön.
    Mein lieber, geduldiger Ehemann Peter half mir in allen Belangen der Vorbereitung. Aber er sagte auch, es sei allein schon unverantwortlich, mich mit diesem schweren Rucksack gehen zu lassen.
    Und überhaupt, was machst du, wenn dir unterwegs was passiert? Du bist ganz allein, wer soll dir dann helfen?
    Mach dir keine Sorgen, entgegnete ich, ich werde nicht allein sein. Den Jakobsweg gehen viele Pilger. In fast jedem Ort ist eine Herberge. Und wenn ich nicht mehr gehen kann, dann fahre ich eben mit einem Bus. Ich werde in Santiago ankommen.
    Woher ich den Mut nahm, weiß ich nicht. Aber meine Sicherheit war ganz tief in mir. Kein Argument konnte meinen Glauben an das Gelingen erschüttern.
    Die Wanderschuhe hatte ich bereits den ganzen Winter über eingelaufen, nun waren sie sehr bequem. Nachdem ich mich endlich entschlossen hatte, meinen Rucksack nicht weiter auf Inhalt und Gewicht zu überprüfen, konnte ich mit dem Training beginnen. Täglich wanderte ich nun zwei oder drei Stunden. Schon nach wenigen Tagen war ich den Rucksack so gewöhnt, als wäre er ein Teil von mir. Allerdings gibt es am Niederrhein keine wirklichen Berge. Die Bedingungen auf dem Camino würden wesentlich schwieriger sein, dessen war ich mir bewusst.
    Der Monat Mai, dachte ich, sei ein günstiger Pilgermonat. Dann dürfte es in Burgos nicht mehr zu kalt sein; Burgos liegt beinahe neunhundert Meter hoch. Santiago wiederum würde bis Ende Mai noch nicht zu warme Temperaturen haben. Also kaufte ich mir für Anfang Mai ein Flugticket. Peter fuhr mich zum Flughafen und blieb bei mir, bis ich aufgerufen wurde.
    Mutig bestieg ich das Flugzeug. Ich war felsenfest davon überzeugt, keinem Unglück zu begegnen, nicht krank zu werden und mein Ziel zu erreichen. Dennoch: Ab jetzt war ich auf mich allein angewiesen, was immer auch passieren mochte. Ein junger Mann half mir, den Rucksack in das Gepäckfach zu legen. Wahrscheinlich fragte er sich, wie ich in diesem Alter noch
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