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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg
Autoren: Elke Sauer
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der Ferne ergeben sich dadurch ganz bizarre Gestalten. Auch über die Felder verteilt liegen immer wieder diese Steinberge, von der Sonne ausgebleicht, beinahe weiß. Ein immer stärker werdender Wind bläst mir entgegen. Er kommt gerade recht, bläst er mir doch meinen Kopf frei und macht Platz für das Wesentliche.
    Eine Gruppe junger Pilger geht an mir vorüber und mit ihnen ein kleiner schwarzer Hund. Er hat sich einen jungen Brasilianer als seinen Herrn ausgesucht und begleitet ihn nun schon seit den Pyrenäen.
    In der Herberge in Hornillos del Camino treffe ich die jungen Leute wieder. Hier wird der Hund von allen umsorgt und geradezu verwöhnt. Nur will er einfach nicht draußen bleiben. Sobald die Tür sich öffnet, schleicht er hinein und findet sofort sein Herrchen.
    Diese schöne Herberge liegt direkt neben der Kirche. Beide sind aus den gleichen großen Steinquadern gebaut. Hier gibt es mehrere Schlafräume, und wir sind nur zu zwölft in einem Zimmer. Leider sind die unteren Betten schon wieder belegt. In der Küche kann ich mir Tee kochen; dazu esse ich wieder eine Fischkonserve mit etwas Brot. Ein kleiner Rest Brot bleibt mir noch für morgen früh. An der Friedhofsmauer sind Leinen gespannt, und die warme Sonne und der leichte Wind versprechen ein schnelles Trocknen der Wäsche.
    Schade, dass hier keine Bank steht, damit man sich mal in der Sonne ausruhen kann. Es wäre ein idealer Platz dafür. Sowieso sind in den Herbergen kaum Stühle, und auch außerhalb könnten mehr Sitzgelegenheiten sein.
    Die Pilger aus Leipzig, die ich gestern in Burgos kennengelernt hatte, wollten am Vormittag noch die Stadt besichtigen und sind erst gegen Abend in der Herberge angekommen. Nun ist kein Bett mehr frei, und sie müssen auf Matratzen in der Küche nächtigen. Auf kaltem Steinboden! Sowieso ist es in der Küche kälter als in den Schlafräumen. Ich bedauere sie sehr und wünsche mir inständig, niemals in eine ähnliche Situation zu kommen.
    Sie hätten schon schlechtere Schlafplätze gehabt, meinen sie. Und nach fröhlicher Begrüßung bedanken sie sich für das zusätzliche Mahl von gestern Abend. Ist schon in Ordnung, sage ich, wie ihr seht, bin ich nicht verhungert. Weshalb hätten sie es auch zurückgehen lassen sollen, es war ja von mir bezahlt.
    Doch wieder können wir nicht zusammen essen: Der Speiseraum in dem Gasthaus gegenüber ist sehr eng, und wir können keinen zusätzlichen Stuhl an ihren Tisch stellen. So setze ich mich nach vorne in den Schankraum an einen großen runden Tisch. Dort sind wir international: ein älteres Ehepaar aus Kanada, eine auffallend gut gekleidete Dame aus Südamerika und zwei Frauen aus Frankreich. Ein weiteres älteres Ehepaar aus Deutschland, das nur in Hotels oder Pensionen übernachtet. Ulrike ist auch dabei - sie schläft im Stockbett unter mir. Eine sehr nachdenkliche, stille Frau. Vielleicht 40 Jahre alt. Später wird sie mir erzählen, dass sie, in Köln geboren, nun schon viele Jahre in Süddeutschland lebt. Erst vor Kurzem hatte sie ihre inzwischen über 80-jährige Mutter zu sich genommen. Deshalb hat sie auch ein Handy dabei, das sie in den mit der Mutter verabredeten Stunden empfangsbereit hält.
    Es wird sehr viel Englisch gesprochen. Vieles verstehe ich, aber ungeübt, wie ich bin, fällt es mir sehr schwer, mich adäquat auszudrücken. Doch direkt neben mir sitzt eine junge Spanierin, die Jüngste in unserer Runde. Mit ihrem perfekten Deutsch und auch Englisch hilft sie mir schon mal mit Worten aus.
    Später, wir liegen schon alle in unseren Schlafsäcken und hoffen auf Schlaf, kommt der hospitalero noch mal zu uns rein und räumt ein Bett leer. Der Pilger, der darin hätte schlafen sollen, ist während des Abendessens erkrankt und nach Burgos in ein Krankenhaus gebracht worden. Nachmittags hatten wir noch miteinander gesprochen, beide in mäßigem Englisch. Er sah so gesund und kräftig aus.
    Hoffentlich passiert mir nicht so ein Unglück! Aber wenn es sein soll, kann ich immer noch sagen, ich bin zwar gescheitert, aber ich war auf dem Camino. Später könnte ich den Versuch noch einmal wagen. Im Leben ist alles offen. Was heute nicht gelingt, kann morgen schon Wirklichkeit sein.
    Der Satz »Der Weg ist das Ziel« erhält auf dem Camino seine wahrhafte Bedeutung. Mir ist es eine Ehre, diesen Weg zu gehen, den Pilger aus aller Welt schon seit über tausend Jahren gegangen sind. Als peregrina will ich diesen Weg leben, und die Kraft, die von ihm ausgeht, mit
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