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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg
Autoren: Elke Sauer
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Kilometer gehe ich jetzt schon über eine Hochebene mit grünen Feldern, umrahmt von unnatürlich kahlen, beinahe weißen Bergen. Das sind die Folgen des Kalkabbaus, und die Aufforstung wird wohl noch Jahre in Anspruch nehmen.
    Hier sind die Lerchen zu Hause. Jubilierend steigen sie in den Himmel hinauf, und ganz hoch oben, wo das Blau am tiefsten ist, ziehen die Adler ihre Kreise.
    Viele Steine und tiefe Furchen machen mir den Weg schwer. Wieder und wieder bleibe ich stehen, um Luft zu holen. Die Wasserflaschen sind seitlich am Rucksack angebracht, deshalb muss ich ihn immer abnehmen, wenn ich trinken will. Das ist sehr unpraktisch. Ich hätte auf Peter hören sollen. Er sagte, du brauchst ständig zu trinken, deine Flasche muss gut erreichbar vorne sein. Bestimmt wäre ihm noch eine andere Lösung eingefallen. Peter, beim nächsten Mal höre ich auf dich!
    Eine Stunde oder sogar zwei gehe ich in völliger Einsamkeit. Habe ich womöglich einen Pfeil übersehen und gehe in die falsche Richtung? Zumal mir in diesem Moment doch tatsächlich ein Pilger entgegenkommt. Er stellt sich als einer jener sagenhaften Pilger heraus, die diesen ganzen Weg von Santiago auch wieder zu Fuß zurückgehen. Und das, obwohl er bestimmt älter ist als ich.
    Buen Camino, sagt er und fragt, ob ich Hilfe brauche.
    Danke, es geht mir gut, ich muss nur etwas ausruhen.
    Bien?, vergewissert er sich.
    Sí, bien.
    Schöner und ergreifender als alle Bücher, die ich über den Jakobsweg gelesen habe, ist die persönliche Erfahrung. Ihn mit eigenen Füßen zu durchwandern, macht mich stolz und glücklich. Eindrucksvoll zeigt sich die Landschaft immer wieder neu; das sich stetig verändernde Licht zaubert dauernd neue Perspektiven hervor. Rechts am Horizont ziehen sich die Konturen der Schneeberge entlang. Vor mir fällt der Weg nun steil ab. In das Tal eingebettet liegt das Örtchen Hontanas. Der Blick auf die weißen Häuser und die von der Sonne ausgebleichten hellroten, ja beinahe rosafarbenen Dächer lässt mich alle Mühe vergessen. Als Zierde thront über allen Giebeln der Kirchturm mit seinen hohen, schmalen Glockenfenstern.
    Behutsam taste ich mich den steinigen und sehr steilen Weg hinab, immer darauf bedacht, mir meine Fußgelenke nicht zu verletzen, denn dann wäre alle Mühe umsonst gewesen. Buen Camino, steht auf einem großen Schild. Der Weg durch den Ort ist darauf beschrieben und die Lage der albergue de peregrinos. Die Jakobsmuschel, das Symbol dieses Pilgerwegs, erscheint überall. Als Zeichen der Pilgerschaft tragen auch wir deutlich sichtbar eine Jakobsmuschel mit uns. Meine habe ich oben am Rucksack befestigt, und wenn sie gegen den Reißverschluss stößt, klappert sie ganz leise. Eine liebe Bekannte hat sie mir mitgegeben. Als Talisman, sagte sie. Ihr selbst war diese Jakobsmuschel vor wohl etwa dreißig Jahren als Mitbringsel von einer Pilgerreise geschenkt worden.
    Auf einer Bank im Ort rastet ein junger Pilger. Sogar die Schuhe hat er ausgezogen.
    Bereitwillig schiebt er für mich seine Sachen beiseite. Sein Pilgerbuch hat einen deutschen Titel. Fast immer erkennt man die Nationalität schon anhand dieser Bücher, die die Pilger sehr oft zur Hand nehmen. Mit einem Stöhnen der Erleichterung nehme ich den Rucksack ab und sitze erst mal einfach nur so da.
    Ich brauche Wasser und auch etwas zu essen. Das Dorf sieht aber nicht so aus, als hätte es ein Geschäft. Ich frage meinen Nachbarn.
    Da vorne in der Gaststätte kannst du was kaufen, du bist gerade daran vorbeigegangen. Einen Stempel für deinen Pilgerpass hat er auch. Aber erwarte nicht zu viel, ruft er mir noch nach.
    Nun, viel Auswahl sehe ich in dem kleinen und außergewöhnlich dunklen Raum nun wirklich nicht. Ich kaufe zwei große Tomaten und eine Banane. An dem Brunnen vor der Kirche wasche ich als Erstes mal gründlich die Tomaten und fülle meine Wasserflaschen.
    Die Sonne und die Ruhe auf der Bank sowie die frischen Tomaten tun mir gut. Ich werde sogar etwas schläfrig. Plötzlich aber sehe ich mit Schrecken einen Weg, der am nächsten Berg steil nach oben führt. Ich spüre noch die letzte Steigung in den Knochen und ziehe mein Buch hervor, um nachzuschlagen.
    Den jungen Mann frage ich, ob wir da noch raufmüssten.
    Nein, sagt er, wir gehen jetzt nur noch im Tal weiter. Hast du kein Höhenprofil? Zeig mal, was ist das für ein Buch?
    Er nimmt es mir aus der Hand, blättert darin herum und schaut vorne auf die Daten. Das Buch ist ja fast zehn Jahre alt! Ebenso
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