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2112 - Verschollen in Tradom

Titel: 2112 - Verschollen in Tradom
Autoren: Unbekannt
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ihnen etwas vorgelebt. Und sie hatten sich an ihm orientiert. Sie hatten das Vorbild akzeptiert, das er ihnen gewesen war.
    Doch er wusste selbst am besten, dass nicht nur die Macht korrumpieren konnte, sondern auch schon die Aussicht auf Macht.
    Immerhin stellten seine Nachkommen die Begründung nicht in Frage. Die Halbwahrheit, mit der ich sie schützen will, dachte er.
    „Ich habe lange über meine Wahl nachgedacht", sagte er. „Und ich frage mich, ob ihr meine Entscheidung so verstehen werdet, wie ich sie verstehe. Das Amt des Landesherrn ist weniger ein Privileg als eine Verpflichtung. Mein Nachfolger muss nicht nur mein Werk fortsetzen, wie ich das von No fortgesetzt habe, er wird sich mit Schwierigkeiten und Problemen auseinander setzen müssen, von denen ich mir noch keine Vorstellungen machen kann. Das Tributkastell..."
    „Du hast..."
    „... dich also ..."
    „... entschieden?"
    Nun drückten die Brustgesichter seiner Kinder unverkennbar Ungeduld aus. Ikanema konnte es ihnen nicht verübeln.
    „Ja, ich habe mich entschieden", sagte er. „Der neue Landesherr soll Tassoli werden, mein jüngstes und auch begabtestes Kind."
    „Tassoli?", fragte Tickali, der Älteste. „Tassoli?"
     
    *
     
    Die Miene von Tickalis Brustgesicht hellte sich merklich auf. „Eine ausgezeichnete Entscheidung", sagte er und begann zu klatschen, zuerst zögernd, dann immer energischer.
    Die anderen fielen ein. Die Erleichterung auf ihren Brustgesichtern war unverkennbar.
    Dann besann sich Tickali. Er ging zu seinem jüngsten Geschwister, kraulte sein Brustgesicht. Die drei anderen taten es ihm gleich und bildeten eine Traube um den designierten neuen Herrscher, als wollten sie ihn trösten.
    „Wir Älteren hatten schon Bedenken ...", sagte Tickali schließlich.
    „... du könntest statt des hochbegabten Tassoli..."
    „... am Ende einen von uns ..."
    „... zum neuen Herrscher von Pombar bestimmen!"
    „Ich ..." Tassoli stockte kurz. „Ich danke euch für eure Anteilnahme", fuhr er dann fort, „aber ich habe auf Zaujanji viel gelernt, und ich fühle mich der Aufgabe durchaus gewachsen. Ich weiß, dass ich viel mehr an Erfahrung sammeln muss, bevor ich auch nur ansatzweise ein so guter Landesherr wie mein Eiter sein werde, doch die Seele in meiner Brust ist voller Zuversicht."
    „Du kannst nur noch einmal auf die Welt der Gelehrten zurückkehren", sagte Ikanema. „Du wirst dort deine Angelegenheiten regeln und abschließen müssen. Danach ist dein Platz hier auf Pombar. Aber der Übergang wird fließend erfolgen. Ich werde dir in den ersten Jahren mit Rat und Tat bei der Führung der Amtsgeschäfte beistehen, so lange, bis du deinen eigenen Weg gefunden und nur noch Unverständnis für die Auffassungen deines senil werdenden Eiters übrig hast."
    „So weit wird es nie kommen, Ikanema", sagte Tassoli ernst.
    Ikanemas Brustgesicht lächelte schwach. „Warten wir es ab. Doch jetzt lasst uns feiern. Schließlich haben wir ja Grund dazu!"
     
    *
     
    Ikanema hatte ein kleines Fest in trauter Familienrunde einberufen. Als Landesherr hatte er dabei Rücksicht auf das unvermeidliche Protokoll nehmen müssen. Unter anderem waren etwa zehn Minister seiner Regierung geladen, zwanzig wichtige Vertreter aus Wirtschaft und Forschung, der Futar Mogtan, der schon lange eine Audienz bei ihm erbat, und nicht zu vergessen Etaba Osebe, der Hauptmann seiner Leibgarde.
    Auch sein Laokaon war da, und Ikanema ging sofort zu ihm und umarmte ihn erleichtert.
    Bedienstete reichten Imbisse und berauschende Rauchwaren und Getränke, und die Gäste begrüßten sich noch, berührten einander, streichelten ihre Brustgesichter und die nackten Oberkörper, als der Landesherr Geräusche aus den tiefer gelegenen Flügeln der Herrschaftlichen Zitadelle hörte.
    Ungewöhnliche Geräusche. Zuerst ein lautes Krachen, dann ein Poltern, gellende Stimmen, gefolgt von einem Fauchen und dann lauten Schreien.
    O nein!, dachte Ikanema Two. Onein! Nicht jetzt! Nicht das! Er suchte seine Kinder in der Menge, doch vergebens, zu dicht war die Traube der sich unablässig berührenden Pombaren.
    Etaba Osebe ließ den Kelch mit Evrafosch, dem seltensten, köstlichsten und süßesten Getränk, das es auf Pombar gab, einfach fallen und stürmte zur Tür des Ballsaals. Ikanema sah, dass er zum Handstrahler in seinem Halfter griff.
    Der Landesherr vertraute den Instinkten seines Gardehauptmanns. Und trauerte um ihn. Wenn hier geschah, was er vermutete, war Etaba so gut wie
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