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2112 - Verschollen in Tradom

Titel: 2112 - Verschollen in Tradom
Autoren: Unbekannt
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Öffentlichkeit abgesperrt. Auch die Touristenattraktionen wie Ikanemas Museum in den unteren Stockwerken des Gebäudes oder die berühmten Holoshows von Barlofft waren zumindest vorübergehend nicht mehr zugänglich. Lediglich die Valenter-Polizisten hatten noch Zutritt zur Zitadelle.
    Der Landesherr blieb vor der Treppe zum prächtigen Turmzimmer stehen. Es befand sich im höchsten Turm der Zitadelle, zweihundert Meter über Barlofft, und war nur über dieses Gemäuer zu erreichen.
    So gesehen war dieser Raum zweifellos das ideale Verlies.
    Zweihundert Meter ... wie viele Stufen waren das?
    Wie oft war er diese Treppe hinauf- und hinabgestiegen?
    Er hatte diesen Gang nicht nur als Mahnung gesehen, sondern immer auch als Gelegenheit, seine Gedanken zu ordnen und in Ruhe wichtige Probleme zu überdenken.
    Nun kam er ihm wie die reinste Qual vor. Wie der Weg zum Schafott.
    Nach einer Ewigkeit hatten sie das Turmzimmer erreicht.
    „Wir warten lediglich die Ankunft eines Kerkerschiffes ab", sagte Le Karanu, „dann werdet ihr Pombar verlassen."
    Und unseren wirklich letzten Gang antreten, dachte Ikanema Two.
    Der Di'Valenter postierte einige seiner Leute als Wachen und zog die Tür zu. Ikanema hörte, wie die Männer von außen ein mechanisches Schloss anbrachten. Er war überzeugt, dass dies nicht ihre einzige Sicherheitsvorkehrung war. Vielleicht würden sie die Turmspitze in einen Energieschirm hüllen.
    Jeglicher Gedanke an Flucht war müßige Spekulation und hohle Hoffnung.
    Er setzte sich auf eine Bank vor dem Panoramafenster und schloss die Augen. Er hörte, wie seine Kinder sich leise unterhielten, verstand jedoch nicht, was sie sagten.
    Er musste es auch nicht verstehen. Er konnte es sich denken.
    Als Landesherr Ikanema die Augen wieder öffnete, war ein neuer Tag angebrochen.
     
    *
     
    Tassoli stand vor ihm. „Eiter", sagte er, „bist du schuldig?"
    Ikanema sah sein jüngstes Kind an, ohne ihm zu antworten.
    Der talentierte Tassoli tat ihm ganz besonders Leid, eine Winzigkeit mehr als seine anderen Kinder. Er war mit ihm inhaftiert worden, ohne auch nur die geringste Schuld zu tragen. Tassoli hatte die letzten Jahre praktisch ausschließlich auf Zaujanji verbracht, der Welt der Gelehrten, und keinerlei Anteil an der Tagespolitik.
    „Elter?", wiederholte Tassoli.
    Ikanema seufzte leise. Sein Leben war erfüllt und voller Erlebnisse gewesen. Er war innerlich bereit, Abschied zu nehmen. Doch was sollte dann aus seinem Volk werden? Und aus seinen Kindern?
    Der Landesherr erhob sich, drehte sich um und schaute vom Turmzimmer aus über die Stadt, die er hatte wachsen und gedeihen sehen, auf das Treiben einer Metropole, das er nun nie wieder als freier Pombare erleben würde.
    Eindringlich wie selten zuvor wurde Ikanema klar, dass die Mitglieder des Herrschergeschlechts von hier aus tatsächlich einen wunderbaren Ausblick über die Stadt hatten.
    Im Westen machte er den Handelsraumhafen mit seinen rund 30 Kilometern Durchmesser aus, auf dem Hunderte von Handelsschiffen standen und wie immer ein Dutzend Polizeiraumer der Valenter, der Ordnungsmacht des allgegenwärtigen Reiches.
    Im Osten erhob sich das schwer befestigte Tributkastell. Dort residierten die Steuereinnehmer und die Polizisten aus dem Volk der Valenter. Ikanema Two kannte niemanden, der jemals ein Tributkastell betreten hatte, die Valenter vielleicht ausgenommen. Doch auch bei Le Karanu und seinen Leuten konnte er nicht automatisch davon ausgehen, dass sie tatsächlich dort stationiert waren.
    Von außen bestand das Gebäude aus geheimnisvollen, fensterlosen Mauern aus grauem Beton, die als riesenhafter, zerklüfteter Bunker in die Landschaft gesetzt waren. Ganz gleich, auf welcher Welt des Reiches man weilte, auf jeder wurde einem sofort klar, dass das Tributkastell ein Fremdkörper war.
    Das auf Pombar erstreckte sich über eine Grundfläche von 1,2 auf 1,8 Kilometer, war im Schnitt über hundert Meter hoch und besaß einen fünfhundert Meter durchmessenden, kreisförmigen Innenhof, der stets vollständig leer zu sein schien. Zu sehen war er allerdings lediglich aus großer Höhe, etwa beim Landeanflug mit einem Raumschiff.
    Wenige hundert Meter vom Kastell entfernt glomm auch jetzt völlig unbeeindruckt das Auge Anguelas auf seiner riesigen goldenen Säule.
    Ikanema hatte den Glauben an die gütige Macht, die über Tradom und seine Völker wachte, nicht verloren. Es mochte seinen Sinn haben, dass Anguela ihm manchmal nicht beigestanden
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